Die Filmgeschichte ist voll von Darstellungen des „Bösen“ und der von ihm ausgehenden Faszination: Von explizit-konkret über subtil-dramatisch bis rational-intellektuell reichen die Formen der Be- und Verarbeitung der „dunklen Seiten“ der menschlichen Existenz, nicht zuletzt das gesamte Horror-Genre gründet auf der Freude am „wohligen Schauer“. „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“, eine US-Netflix-Produktion, wählt einen für die Darstellung eines Serienkillers eher ungewöhnlichen Weg: Nicht dessen Taten werden in den Mittelpunkt gestellt, sondern sein „normales Leben“ daneben, seine Liebesbeziehungen, seine Gerichtsprozesse, sein verzweifelter Kampf gegen die Justiz, die ihm in seinen Augen Unrecht tut, der Versuch vom Aufrechterhalten einer „bürgerlichen Existenz“, aber auch seine Lügen und Manipulationsversuche. Diese psychologisch-dramatische Annäherung an das Phänomen Ted Bundy – und der nahezu komplette Verzicht auf Gewaltdarstellungen – sind es, die den Film so sehenswert machen.

von Christian Klosz

Ted Bundy wurde in den 70-ern in den USA zum kulturellen Phänomen: Der gebildete, eloquente und gutaussehende Jus-Student wusste sich zu inszenieren, spielte mit den Medien und seinen weiblichen Verehrerinnen, die zuhauf vorhanden waren. Dass ihm dabei grauenhafte Taten vorgeworfen wurden, darunter zig bestialische Morde, rückte dabei oft in den Hintergrund; seine Unterstützerinnen wollten nicht glauben, dass dieser nette junge Mann zu solchen Untaten fähig sei – und Bundy selbst spielte mit dieser Wahrnehmung, und nutze sie zu seinen Gunsten: Er stellte sich selbst als Opfer der Medien, der Justiz dar, und bestritt bis zum Ende jegliche Verantwortung für die Taten.

John Berlinger stellt in seinem Film „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“ das oben Geschilderte in den Mittelpunkt – und eben nicht die grausamen Taten, das offensichtlich Böse, wie es viele andere Filme zu ähnlichen Themen machen. Stattdessen: die Lüge als zentrales Merkmal der Genese des Bösen, die dahinterliegende Idee, dass das Böse erst dadurch entsteht, dass eine Individuum ein Bild von sich selbst entwirft, das nicht mit der Realität übereinstimmt, sich dann mit diesem Zerrbild identifiziert, und es gegen Angriffe von außen verteidigt. Gerade der Fokus auf diesen „banaleren“, nahezu alltäglichen Aspekt des Bösen aber macht den Film so spannend, und auch lehrreich: Er illustriert, wie es narzisstischen Tätern gelingt, durch Lügen und Verleugnung, durch gezielte Irreführung ihnen Nahestehende zu täuschen. Das muss auch Liz Kloepfer (Lily Collins) erfahren, eine alleinerziehende Mutter, die dem Charme des Ted Bundy (dargestellt von Zac Efron) erliegt, und jahrelang nicht wahrhaben will, dass der Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hat, eigentlich ein brutaler Mörder sein könnte.

Besonders bemerkenswert an Bundys Zeichnung ist, dass das Gezeigte wirklich wenig Raum für Zweifel an seiner Person und seinen Worten lässt, man also die Perspektive von Liz gut nachvollziehen kann: „Ihr“ Ted ist tatsächlich liebevoll, behandelt sie anständig, und zeigt ihr gegenüber keine gewalttätigen Ausfälle; ob auch das am Ende lediglich Lüge und Manipulation ist, oder als Darstellung einer „menschlichen Seite“ des Monsters gelten kann, ist dem Betrachter überlassen.

Zac Efron als Ted Bundy in „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“

Lobend erwähnt werden muss Zac Efron, der Ted Bundy unglaublich glaubwürdig verkörpert, der Vergleich mit realen Aufnahmen zeigt auch nicht zu leugnende äußerliche Ähnlichkeiten. Als einziger kleiner Minuspunkt muss John Malkovichs seltsamer Auftritt als Richter erwähnt werden, der – wie schon in Netflix‘ „Bird Box“ – durch seine überzogene Darstellung aus dem Rahmen fällt, und wie ein Fremdkörper in den an sich sehr stimmigen Film wirkt.

Fazit:

Bei „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“ ist der Name Programm: Der Film widmet sich der Darstellung des Serienmörders Ted Bundy, der in den USA der 70-er zum Medienphänomen wurde. Das „Böse“ wird hier aber weder banalisiert, noch durch effektvolle Darstellungen für Unterhaltungszwecke instrumentalisiert, sondern in seinen ganz grundlegenden und „alltäglichen“ Dimensionen dargestellt. So entsteht ein kluger, reflektierter und sehenswerter Film, der sich zudem auf einen hervorragenden Hauptdarsteller verlassen kann.

„Extremely Wicked…“ war beim /Slash einhalb-Festival in Wien zu sehen und ist seit kurzem als BluRay von Constantin Film verfügbar! Ihr könnt den Film um nur 12.99 HIER bestellen!

Bewertung:

9 von 10 Punkten

Bilder: Netflix / Slash Festival