Diese „Filmanalyse“ beschäftigt sich mit dem Hotel und seinen Darstellungsformen im österreichischen Film. Die sollen anhand zweier sehr konträrer Beispiele illustriert werden, nämlich „Im weißen Rössel“ aus dem Jahr 1960 und „Hotel“ aus dem Jahr 2004, der auch im Rahmen der Jessica Hausner-Retrospektive bei der Diagonale 2020 zu sehen gewesen wäre und nun digital verfügbar ist. Der Text basiert auf einem erstmals im universitären Kontext entstandenen Essay und erscheint hier in überarbeiteter Form.

von Elli Leeb

Das Hotel in der Provinz

Anhand der Filme Im weißen Rössl (1960) und Hotel (2004) soll das Hotel als Ort des Transits untersucht werden. Die beiden Filme werden als Provinz-Beispiele dienen und hierbei wird auch aufgezeigt, dass die Provinz auf unterschiedliche Weise dargestellt werden kann.

So gilt es zunächst zu klären, welchen Stellenwert das Hotel in österreichischen Filmen im Allgemeinen hat. Büttner und Dewald liefern in ihrem Text „Eine österreichische Topographie“ zu diesem Ort einen geschichtlichen Aufriss von den Nachkriegsjahren bis in die späten 90er Jahre des vorangegangenen Jahrhunderts und erklären, wie sich die Darstellung des Hotels und der Landschaft gewandelt hat. Vor allem in den 40er Jahren stellte das Hotel vorwiegend einen Ort des Verweilens für die Hauptcharaktere dar, obwohl diese in erster Linie eigentlich ganz woanders hinwollten. Der Bilderkanon der österreichischen Filme der 40er Jahre ist also vorwiegend von schönen Landschaftsaufnahmen an warmen Sommertagen geprägt, gepaart mit einem Hotel, welches Traditionen pflegt und von einer umsichtigen Hoteliersfrau geführt wird. In den 50ern und 60ern stellt sich der Österreichfilm hingegen vor allem in den Dienst des Fremdenverkehrs und dient der Gewinnmaximierung, wodurch das Genre des Urlaubs- und Heimatsfilms hervorgebracht wird. Die Bilder der Landschaft sind nun von der Signatur der Ware durchwirkt. „Aus den Ingredienzen Landschaft, Hotel, Musik, kleine Aufregungen um vermeintliche Diebe und reiche Amerikanerinnen […], Rankünen eifersüchtiger Kellner oder verliebter Wirtinnen […], Fehden zwischen dem Dorfgranden und der Hotelbesitzerin […] und das Heranwachsen singender Zwillinge werden Dutzende österreichische Filme gedreht.“ [1] Daher wird gerade das Hotel als Ort und Metapher des österreichischen Heimatfilms begriffen.

Im weißen Rössl(1960)

Auch der 1960 entstandene Heimatfilm Im weißen Rössl von Werner Jacobs, der die wohl berühmteste Verfilmung von Ralph Benatzkys Operette darstellt, handelt von den vorangegangenen Narrativen.

Die Provinz wird oftmals mit einem Gefühl des Eingesperrt-Seins und einem Mangel an Handlungsmöglichkeiten aufgrund der fehlenden Alternativen zusammengedacht, nicht aber in Im weißen Rössl: Hier, und auch in den anderen gewöhnlichen Heimatfilmen, wird Provinz als etwas Heimeliges dargestellt. In dieser Gaststätte steht die Glückseligkeit im Vordergrund. Immer wiederkehrende Gesangseinlagen, vorrangig von Peter Alexander, dem Hauptdarsteller selbst dargeboten, verstärken das Gefühl, dass hier die Welt völlig in Ordnung ist. Meist singt er heiter von der Schönheit der Welt oder von seiner angebeteten Josepha. So lauten beispielsweise Textstellen der Titelmelodie Im weißen Rössl am Wolfgangsee folgendermaßen:  

Im Weißen Rössl am Wolfgangsee, dort steht das Glück vor der Tür, und ruft dir zu: „Guten Morgen, tritt ein und vergiss deine Sorgen!“ Und musst du dann einmal fort von hier, tut dir der Abschied so weh; dein Herz, das hast du verloren im Weißen Rössl am See!

Lieder wie diese werden den ganzen Film hindurch in verschiedenen Sequenzen öfters wiederholt. Nicht nur mithilfe des Texts wird hier eine positive Grundstimmung erzeugt, sondern auch durch die Melodie. 

Des Weiteren sind es vor allem die stetigen Landschaftsaufnahmen, die geradewegs wie aus einem Werbeprospekt stammend aussehen, die auch das Hotel wirken lassen, als sei hier alles perfekt. Anders als in den 40ern noch üblich, wird hier zwar nicht die Handlung unterbrochen, um die Panoramaaufnahmen zu zeigen, jedoch haben sie auch in Im weißen Rössl einen hohen Stellenwert.  

Auf der Bildebene wird eine besonders breite Farbpalette verwendet, die vor allem in Blumenpracht der Landschaft, aber auch im Hotel sowie in farbenfroher Garderobe der Gäste und der Bediensteten, die vorwiegend aus Trachtenkleidung besteht, zum Vorschein kommt. Dadurch, dass der Film im damals üblichen Agfacolor-Verfahren gemacht ist, wirkt auch die Farbgebung pastellig und positiv. 

Man kann das Hotel in Im weißen Rössl auch als einen Fluchtort verstehen. Hier lassen sich problemlos alle Schwierigkeiten, die der Alltag so mit sich bringt, vergessen und abschalten. In diesem Film gilt das allerdings nicht nur für die Gäste, die hier Urlaub machen, sondern es scheint, als ob selbst die Angestellten an diesem Ort dem Alltag entfliehen könnten.  

In diesem Heimatfilm wird das Hotel also als ein froher Ort, an dem die Menschen zusammenkommen, um sich eine Auszeit in einer heimeligen Atmosphäre zu genehmigen, dargestellt. Der Ort wirkt trotz provinzialer Lage sehr lebendig beziehungsweise belebt. Jeder scheint es hier zu genießen und glücklich zu sein. 

Still aus „Im weißen Rössl“

„Hotel“ (2004)

Ganz anders als in Im weißen Rössl steht in Jessica Hausners Film Hotel, welcher im Jahr 2004 erschienen ist und Elemente des Thriller- sowie des Horrorgenres aufweist, das Unheimliche und das Unbehagliche im Vordergrund. Der Film handelt von der jungen Rezeptionistin Irene, die zu Beginn des Films eine neue Stelle in dem Berghotel Waldhaus antritt. Bald erfährt sie, dass ihre Vorgängerin verschwunden ist. Deshalb versucht sie mehr über die Hintergründe ihres Verschwindens zu erfahren. Lediglich ein Brillenetui samt Brille mit der Inschrift Eva S. sowie vermutlich eine Sequenz, in der Kriminalpolizisten im Teich nach etwas suchen, weisen noch auf ihre Vorgängerin hin. Da ein Unbekannter im Laufe des Films Irenes Brille zerstört, muss sie vorübergehend die Brille von Eva S. tragen. Die anderen Angestellten bringen Irene nur Distanziertheit und Kühle entgegen, wodurch man Irene so gut wie nie lächeln sieht.  

Im Unterschied zu Im weißem Rössl herrscht hier den ganzen Film hindurch eine unterkühlte Atmosphäre, die sowohl durch das Verhalten der handelnden Charaktere zueinander, als auch durch das Hotel an sich, mit seiner dunklen Lichtstimmung und Einrichtung, zum Ausdruck gebracht wird. Es ist unschwer zu erkennen, dass sich die Hauptdarstellerin Irene durchwegs unwohl fühlt, was sich direkt auf die Rezipienten überträgt. Da der Film inmitten österreichischer Berge spielt und das Hotel von endlos erscheinenden Wäldern ringsum umgeben ist, wirkt der Ort zusätzlich mysteriös. Das Hotel wird vor allem von bedrückender Einsamkeit umgeben. Hier kommt kein Gefühl der Gastfreundschaft und des fröhlichen Beisammenseins auf. 

Ein weiterer Unterschied zu dem vorhin beschriebenen Heimatfilm stellt die Tatsache dar, dass in diesem Film die Gäste so gut wie nie zu sehen sind. In Im weißem Rössl waren diese für die Handlung ebenso wichtig wie das Personal des Hotels. Hier wird die Arbeit und nicht die Erholsamkeit in den Vordergrund gestellt: Jessica Hausner stellt in ihrem Film die Provinz als einen ausgestorbenen, verlassenen sowie vor allem unheimlichen Ort dar. Das Hotel sowie dessen Umgebung werden hier auf der Bildebene in dunklen Farben gehalten, wodurch die mysteriöse Stimmung zusätzlich verstärkt wird. Sowohl die Hauptfigur, als auch man selbst als Zuseher/in fühlt sich hier, im Gegensatz zu Im weißen Rössl, stets unwohl und unbehaglich. 

Fazit

In beiden Filmen wird das Hotel auf unterschiedliche Weise dargestellt. Die einzige tragende Gemeinsamkeit besteht darin, dass in den Unterkünften Beziehungen verhandelt und Konflikte ausgetragen werden. Der Heimatfilm Im weißen Rössl spielt in einer ländlichen Idylle und stellt das Hotel beziehungsweise auch die Provinz als einen lebendigen frohen Ort dar. Jessica Hausner hingegen bildet in ihrem Film Hotel die Provinz als einen unheimlichen Ort ab. Das Hotel dieses Films wird von einer unterkühlten Atmosphäre umgeben und alle handelnden Personen wirken distanziert. Die Provinz kann somit auf verschiedene Arten dargestellt werden und auch nicht nur als die eine Provinz verstanden werden.


[1] Büttner, Elisabeth/Dewald, Christian (1997): „Eine österreichische Topographie“, in: Anschluß an Morgen. Eine Geschichte des österreichischen Films von 1945 bis zur Gegenwart. Salzburg/Wien: Residenz Verlag, S.310–312.

Titelbild: „Hotel“ von Jessica Hausner; (c) coop99