Fressen oder gefressen werden – eine stark vereinfachte und doch präzise, weil unmissverständliche Regel, die insbesondere im Tierreich zur Erklärung von Verhaltensweisen herangezogen wird. Auch bei uns Menschen leben viele diesen Grundsatz, allerdings in anderem Wortlaut: Nur die Starken überleben. Aber ist das wirklich so? Und wodurch äußert sich Stärke?

von Cliff Brockerhoff

Diese Fragen stellt „Hunted – Waldsterben“, eine belgisch-französisch-irische Koproduktion, die sich am ehesten dem rape and revenge Subgenre zuordnen lässt, so richtig streng kategorisch verorten kann man den Film allerdings nicht. Dazu wirkt alles zu auffällig abnormal. Angefangen bei einer fast schon märchenhaften Einleitung über eingestreute, traumartige Sequenzen bis hin zum ungewöhnlichen Fokus. Dieser liegt nämlich nicht auf dem Opfer, sondern vielmehr auf dem Täter.

Auf großartige Exposition verzichtet das Werk dabei. Nach dem kurzen Exkurs in die erwähnte Fabelwelt schmeißt der Film seine Betrachter mitten rein ins Geschehen. Eve, die weibliche Protagonistin gerät eines Nachts in die Fänge skrupelloser Entführer, die sie erst mit Alkohol abfüllen und schließlich gewaltsam verschleppen. Ziel der Unternehmung ist scheinbar, das wird nie so richtig klar, ein Filmdreh samt sexueller Übergriffigkeit. Soweit so „normal“, doch trotz traditionellem Einstieg wirkt „Hunted“ vom stilistischen Ansatz her nie wie ein 08/15 Thriller und fällt im weiteren Fortlauf weiterhin mit spannenden, thematischen Ansätzen auf, verlässt das humane Hoheitsgebiet und macht sich Allegorien der Fauna zu Eigen.

Das alles vermittelt das Werk seinen Zuschauern allerdings mit der Holzhammer-Methode. Anstelle von subtil eingestreuten Momenten setzt das Drehbuch auf sich permanent wiederholende Anspielungen, die es in dieser Fülle gar nicht gebraucht hätte. Die feine Klinge wird nur selten gezückt, größtenteils wird das Gesehene in die Köpfe eingeprügelt, bis es eben auch der Letzte verstanden hat. Ja, die handelnden Personen verkörpern Jäger und Beute und ja, ebenso wie im Tierreich gibt es auch innerhalb der Handlung die typische Rollenverteilung, bei denen die Jungtiere langsam an die Beutejagd herangeführt und somit auf das Leben vorbereitet werden. Die Herstellung dieses Bezuges ist durchaus kreativ, hätte sich aber deutlich besser in das Gesamtkonzept eingefügt wenn sie eben nicht pausenlos durch den Wald scheinen würde.

Insgesamt lässt sich aber deutlich mehr Licht als Schatten erkennen. Auch wenn Hauptdarstellerin Lucie Debay größtenteils schreit und in ihrem signalfarbenen Mantel durch den Wald schlendert, ist ihre Leistung respektabel. Gerade zu Anfang ist die Verzweiflung greifbar, äußert sich in einer passenden Körperspannung und schlägt im richtigen Moment um. Als Gegenpart erleben wir Arieh Worthalter als fiesen Frauenjäger, der seine Rolle mit eklig selbstgefälligen Attitüden bespielt und somit zur Verkörperung des typischen Antagonisten mutiert. Seinen Beweggründen kommt der Zuschauer am nächsten, wirklich durchschauen lassen sich diese jedoch nicht. Regisseur Vincent Paronnaud spielt hier süffisant mit der alteingesessenen Rollenverteilung und scheut sich nicht vor tiefschwarzem Humor, vernachlässigt nur leider regelmäßig die logische Komponente, deren Fehlen das Seherlebnis bei genauerem Hinsehen arg trübt.

Fazit

Irgendwo zwischen kompromissloser Spannung, einer Ode an weibliche Selbstbestimmung und surrealer Bilderflut erweist sich „Hunted – Waldsterben“ als interessante Mischung und lässt mit seiner eigenwilligen Intonation einen frischen Wind durch den Genre-Wald wehen. Nicht frei von Makeln aber durchaus mutig überrascht das Werk mit seiner Kreativität, auch wenn nicht jede Idee in Gänze zünden will. Kurzweilige Unterhaltung für aufgeschlossenes Publikum. Ab dem 21. Mai auf BluRay und DVD erhältlich!

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(60/100)

Bilder: ©Pandastorm Pictures

Wer nun Lust auf den Film bekommen hat, kann bei unserem Gewinnspiel je eine BluRay und eine DVD von „Hunted – Waldsterben“ gewinnen. Sendet dazu einfach eine Mail mit dem Betreff „ROTKÄPPCHEN“ und eurer vollständigen Adresse an filmpluskritik@web.de. Das Verlosungsmaterial wurde uns freundlicherweise vom Verleih zur Verfügung gestellt und wird nach Beendigung des Gewinnspiels (21. April 2021, 23:59 Uhr) an euch versendet. Ihr erhaltet eine separate Gewinnbenachrichtigung. Wir wünschen allen Teilnehmern viel Glück!