Es war Aretha Franklins ausdrücklicher Wunsch, dass sie in einer Verfilmung ihres Lebens von keiner anderen Schauspielerin dargestellt werden dürfe als Jennifer Hudson. Im Biopic „Respect“ geht der Wunsch der 2018 verstorbenen Queen of Soul posthum in Erfüllung: Hudson verkörpert Franklin nicht nur, sondern singt sich auch mit beeindruckender Intensität durch ihren Hitkatalog. Aber reicht die Powerstimme der Oscar-Preisträgerin aus um der Soullegende ein angemessenes filmisches Denkmal zu setzen?
von Paul Kunz
Man sollte annehmen, es gäbe eine Vielzahl an Möglichkeiten um von den sicher ereignisreichen und vielfältigen Leben der verschiedensten berühmten Musiker:innen zu erzählen. Eigenartig ist es daher, dass Hollywood nur eine einzige Erzählung zu kennen scheint. Was wir zuletzt in „Bohemian Rhapsody“ und „Rocketman“ für Freddy Mercury und Elton John gesehen haben, wird nun auch in „Respect“ wiedergekaut: da gibt es das Ausnahmetalent mit Außenseiterstatus und schwieriger Kindheit, das einen frühen Aufstieg zum Weltruhm erfährt, der unweigerlich zum drogenbedingten Absturz führt, ehe die Rettung vor den Partyexzessen und die Wendung zu einem brav gemäßigten Lebensstil erfolgt. Es ist ein wenig enttäuschend, dass die Tony-nominierte Theaterregisseurin Tommy Liesl, die mit „Respect“ ihren ersten Spielfilm inszeniert, für den Film auf so ein müdes Erzählmuster zurückgreift.
Die Handlung setzt in den 1950ern ein, wo Aretha Franklin als 10jähriges Mädchen auf den allwöchentlichen Feiern ihres Vaters (Forest Whitaker), einem baptistischen Pastor, zahlreiche Gäste mit ihrer beeindruckenden Gesangsstimme unterhält. Nur eigenartig nebensächlich streift der Film dabei traumatische Ereignisse, wie Franklins Vergewaltigung im Kindesalter und ihre daraus resultierende frühe Schwangerschaft. Denn im Bestreben des Films den Aufstieg der afroamerikanischen Kirchenchorsängerin aus Detroit zum Weltruhm möglichst umfassend zu erzählen, verkommen selbst derart schwierige Phasen aus Franklins Leben zu pflichtbewusst abgearbeiteten Stationen. Auch Franklins Position im Civil Rights Movement, ihre Beziehung zu Gott oder ihre Suchtprobleme erscheinen weniger wie lebensprägende Haltungen und Ereignisse, sondern wie Punkte auf einer Checkliste, die es abzuhaken gilt.
Mehr Raum erhalten dagegen Aretha Franklins Beziehungen zu den verschiedenen Männern in ihrem Leben – ihr unbarmherziger Vater, ihr gewalttätiger Ehemann und Manager oder machtvolle weiße Musikproduzenten. „Respect“ zeigt Franklins Entwicklung von einer demütigen Beschwichtigerin zwischen Männern, die für sie Entscheidungen treffen hin zu einer Frau, die es schafft ihre Stimme zu nutzen um für sich selbst einzutreten und das einzufordern, was ihr zusteht: Respect, just a little bit! Aber auch diese vielversprechende Emanzipationsgeschichte bearbeitet der Film letzten Endes nicht mit ausreichend Tiefgang, da er zu beschäftigt ist möglichst frei von Kontroversen das alte Musiker:innenbiopic-Narrativ abzuarbeiten. Dazu kommt eine solide, aber uninspirierte und mitunter kitschige Inszenierung, der alles Schwierige zu verklären scheint. Da kommt es schon mal vor, dass der Geist von Franklins verstorbener Mutter ihrer betrunkenen Tochter die Bourbon-Flasche aus der Hand nimmt.
Absolut überzeugend sind dafür jene Sequenzen, die Franklin beim Musizieren zeigen. Umso dankbarer ist man, dass sich „Respect“ hierfür weitaus mehr Zeit nimmt als andere Genrevertreter. Eine hervorragende Szene zeigt etwa die Aufnahmesession zu „I Never Loved A Man“, einer für Franklin geschriebenen Nummer mit bestenfalls durchschnittlicher Qualität. Doch Franklin arrangiert den Song gemeinsam mit der Band neu, spielt mit der Rhythmik, sie improvisiert und verwandelt den Song durch ihre inspirierten Ideen in einen Hit. Das ist nicht nur spannend, sondern veranschaulicht auch eindrucksvoll welche Meisterwerke Franklin zu produzieren im Stande ist, wenn sie ungebremst agiert.
Das ausführliche Zeigen der Musikschreib- und -aufnahmeprozesse ist aber nur einer der Gründe, warum das ansonsten brav nach Schema erzählende Biopic mit zweieinhalbstündiger Laufzeit dennoch nie langweilig wird. Der zweite Grund ist die gewinnende Kombi aus Jennifer Hudsons Stimmgewalt und den genialen Songs von Aretha Franklin. Hudson singt zwar besser als sie spielt, doch Liesl macht sich dieses Gesangstalent zunutze, wann immer sie kann. Insbesondere in der zweiten Hälfte des Films gibt es daher zahlreiche Konzertszenen, in denen Hudson die Franklin-Songs performen darf. Und das klingt so gut, dass man gar nicht anders kann als mitgerissen zu werden.
Fazit
„Respect“ ist mehr beflissene und umfassende Nacherzählung von Stationen im Leben der Queen of Soul als ein interessanter Film. Die düsteren Aspekte in der Erzählung, sei es Kindesmissbrauch, häusliche Gewalt oder Rassismus, werden in ihrer Schrecklichkeit meist nur angedeutet und erhalten nicht das Gewicht, dass sie verdienen. Der Film hält sich stattdessen an die Musiker-Biopic-Formel und bleibt brav an der Oberfläche. Dass „Respect“ trotzdem funktioniert, liegt an Franklins Musik und Hudsons Gesangsperformance, der der Film dankenswerterweise eine große Menge Raum gibt.
Bewertung
(50/100)
Bild: (c) UPI