Die Entstehungsgeschichte von „Blutgericht in Texas“ ist mittlerweile beinahe genauso legendär wie der Horrorfilm-Klassiker aus dem Jahre 1974 selbst. Bei sengender Hitze dauerte es teilweise 26 Stunden bis eine Szene im Kasten war, die unerfahrenen Schauspieler berichteten danach von teils unmenschlichen Bedingungen. Dem bestialischen Gestank der Tierkadaver wurde mittels intensivem Drogenkonsum Einhalt geboten – letzterer war seinerseits der Grund für zahlreiche Verletzungen, die die Darsteller während des Drehs davontrugen.
von Cliff Brockerhoff
Als sei das nicht schon Trubel genug, schlug sich „The Texas Chain Saw Massacre“ (so der Originaltitel) bis weit nach der Jahrtausendwende mit dem Index und Beschlagnahmungen herum. Dessen ungeachtet erschienen währenddessen zahlreiche Fortsetzungen, Remakes und Sequels, welche nun um ein weiteres Kapitel erweitert werden. Das Besondere daran – „Candyman“ machte es vor: alles nach dem Original aus den Siebzigern wird ignoriert. „Texas Chainsaw Massacre“ knüpft zwar zeitlich nicht nahtlos an die Handlung an, führt uns aber wieder in die Stadt Harlow, in der einst ein berüchtigter Killer mit der Kettensäge auf seine Opfer losging.

Standesgemäß sind es dieses Mal aber natürlich keine jungen Leute auf der Suche nach dem Haus ihrer Großeltern, sondern Influencer auf der Spur des Mythos von einst. Sie wollen den einstigen Schauplatz aufarbeiten und der Geisterstadt neues Leben einhauchen. Glücklicherweise versucht sich der Film erst gar nicht an einer großartig ausufernden Handlung, belässt es bei seiner groben Einführung der wichtigsten Charaktere und startet schnell mit dem, was Fans des Franchise von einem neuen Emporkömmling erwarten. Sind die ersten Minuten samt semi-cooler Sprüche und den üblichen Klischees überstanden, zeichnet sich im Hintergrund bereits Unheil ab und spätestens als zum ersten Mal das ikonische Knattern der Kettensäge ertönt, ist auch der letzte Zuschauer eingenordet und weiß wo der gehäutete Hase lang läuft.
Doch „Texas Chainsaw Massacre“ macht eine Sache überraschenderweise deutlich besser als vergleichbare Werke: Stumpf ist zwar auch hier Trumpf, Kamera und Akustik nehmen sich aber in schöner Regelmäßigkeit Zeit für kreative Ausflüge. Wenn eine Tötung beispielsweise nur durch den Spalt einer Schwingtür zu sehen ist oder Glassplitter im Takt der Säge tanzen, sind das beileibe keine bahnbrechenden Visualisierungen ungezähmter Phantasie, innerhalb der blutigen Passagen bringen sie aber ein Mindestmaß an Abwechslung mit und kompensieren die arg dünne Story zumindest mit technischer Finesse. Apropos Story: die geht im Mittelteil dann auch mit einer krachenden Arschbombe im blutroten Schwimmbecken baden. Der anfänglich aufgemachte Handlungsstrang wird degradiert, sämtliche Nebenfiguren küssen schnell das rostige Metall und gerade weil die blutleeren Charaktere oftmals mindestens genauso nervig wie blass sind, schmeckt die Schlachtplatte umso besser.
Voraussetzung für eine angenehme Verkostung ist sicherlich die Akzeptanz diverser Logikbrüche. Nicht, dass diese in einem solchen Genrefilm nicht schon traditionell dazu gehören würden, aber wie sich das Drehbuch manche Situationen zurechtschustert, ist schon an der Grenze zur Dreistigkeit. Nicht nur, dass „Texas Chainsaw Massacre“ mit seiner schlammigen Farbpalette und der generellen Erzählweise stark von den neueren „Halloween“ Filmen abkupfert, nein; auch die Charaktere – immerhin unsere emotionalen Fixpunkte – streunen mal wieder höchst geistlos durch die Gegend und scheinen das Elend magnetisch anzuziehen. Das kommt dann wiederum ordentlich brachial und mit passenden Effekten daher. Hier und da natürlich absolut over the top, insgesamt jedoch stimmig und in Verbindung mit der immer wieder kreierten Atmosphäre eine runde Sache. Zartbesaiteten sei ausdrücklich abgeraten, ansonsten kann nicht garantiert werden, dass die Holzhammer-Methode der Macher auch den ein oder anderen Tiefschlag in der begutachtenden Magengegend austeilt.

Fazit
Den doch sehr fleischbehangenen Logiklöchern zum Trotz funktioniert “Texas Chainsaw Massacre” sowohl als hüfthohe Verbeugung vor dem Original als auch als davon losgelöster (Teenie-)Slasher. Wirklich spannend oder gar gruselig wird es dabei nur selten, doch die gelungene Inszenierung lässt den Mann mit dem Faible für hautenge Gesichtsbekleidung in neuem Schmutz erstrahlen und weiß durch seine kurze Laufzeit nahezu dauerhaft zu unterhalten.
Bewertung
(63/100)
Bilder:©Netflix / Legendary