Vom sommerlichen Campingtrip mit Lagerfeuer im australischen Outback in die vom Blizzard eingeschneiten Berge Coloradas, inklusive erzwungenem Übernachtungsstopp in einem abgelegenem Besucherzentrum. Auch wenn der Temperaturunterschied von den konträren Settings immens ist, Regisseur Damien Power nutzt in beiden Szenarien die Einsamkeit und Abgeschiedenheit aus, um seine Opfer unerwartetem, menschlichen Terror auszusetzen und seinem Publikum den kalten Schauer über den Rücken zu jagen.

von Madeleine Eger

Nach dem Survival Thriller „Killing Ground“, der 2017 auf dem Sundance Festival seine Premiere feierte, inszeniert der Australier mit „No Exit“ erneut einen Thriller, bei dem es am Ende ums nackte Überleben geht. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Taylor Adams, führt „ No Exit“ in einer Nacht fünf Unbekannte zusammen, deren Vertrauen durch einen Vorfall tief erschüttert wird. Eine zufällige Entdeckung, die gleichzeitig eine unterschwellige Bedrohung an die Oberfläche befördert und am Ende eine Gewaltspirale ungeahnten Ausmaßes entfacht.

Darby (Havana Rose Liu) ist nicht das erste Mal in der Entzugsklinik. Sichtlich genervt lässt sie die Stunden mit alten Bekannten über sich ergehen. Schon mehrfach hat sie versucht unter einem Vorwand den Ort zu verlassen. Deshalb nimmt ihr auch niemand ab, dass der Anruf aus einem Krankenhaus echt ist und Darby nun unbedingt zu ihrer Mutter in Salt Lake City fahren will, nachdem diese eine schwere Hirnblutung erlitten hat. Obwohl auch ihre Schwester auf ihre Anwesenheit verzichten kann und ihr das sehr direkt mitteilt, macht sich die junge Frau auf den Weg und klaut kurzerhand das Auto eines Angestellten der Entzugsklinik. Noch nicht weit gekommen, gerät sie in einen schweren Schneesturm, der die Straßen unbefahrbar macht und sie dazu zwingt die Nacht in einem Besucherzentrum zu verbringen. Dort trifft sie vier weitere Gestrandete: Ash (Danny Ramirez), Lars (David Rysdahl), Ed (Dennis Haysbert) und Sandi (Dale Dickey). Als Darby durch Zufall ein geknebeltes Mädchen im Kofferraum eines der Autos findet, wird plötzlich jeder der Fremden zum Verdächtigen und zur unmittelbaren Gefahr.

Bisher gab es für Darby immer einen Ausweg. Ganze sieben Mal hat die junge Frau versucht von den Drogen loszukommen, ganze sieben Mal ist sie aus der Klinik geflüchtet. Und so richtig scheint sie auch den erneuten Anlauf nicht ernst zu nehmen, wenn sie in dem kahlen Raum, genervt auf ihrem Stuhl den leeren Worten einer alten Bekannten und Mitleidenden zuhört. Erfundene Anrufe sind nur ein Mittel, um vielleicht doch wieder entfliehen zu können. Die traurige Vergangenheit und der stete Kampf gegen die Drogen sind Darby ins Gesicht geschrieben. Vor allem, wenn sie in dem geklauten Auto dann auch noch ein kleines Tütchen mit weißem Pulver findet, das alte Erinnerungen weckt. Und das sind keine guten: die Überdosis, die fortwährende Distanz zur Familie. Havan Rose Liu kann innerhalb der wenigen Minuten und der überschaubaren Exposition, zumindest so viel aus ihrer Rolle herausholen, dass man später mit ihrer Figur mitfiebert und die Zweifel, das Unbehagen und den Schrecken nachempfinden kann. Wer würde sich auch nicht unwohl fühlen, wenn man die Nacht irgendwo allein mit Fremden verbringen muss, unter denen sich ein Entführer befindet?

„No Exit“ spielt in der ersten Hälfte ganz bewusst mit Charakterklischees und bringt eine Gruppe an den Tisch, in der jeder sich nicht nur im gemeinsamen Kartenspiel sondern auch beim Erzählen der eigenen Lebenssituation im Lügen beweisen kann. Dass Lars, der auffällig nervöse und etwas trottelige Außenseiter, durchaus mehr mit der Entführung zu tun hat, daraus macht der Regisseur in seiner Geschichte kein Geheimnis. Ziemlich unspektakulär und wenig geheimnisvoll gestaltet sich der Survival-Thriller in der frostigen Einsamkeit. Ganz sachte und langsam zieht die Spannung an, bis zum ersten Twist, der die Situation um einiges brenzliger und vor allem die Figur von Danny Ramirez („The Falcon and the Winter Soldier“) um einige Facetten reicher werden lässt. Etwa zur Halbzeitmarke geht es dann Schlag auf Schlag und Regisseur Damien Power schlittert mit seinen Charakteren von einem unbequemen Moment des Psychoterrors in den nächsten, bis die Gewalt mit voller Wucht hervorbricht und das Publikum wie Gruppe unvermittelt trifft. Hier kann der Regisseur dann endlich die Stärken seines Drehbuchs ausspielen und abtauchen in eine Unberechenbarkeit, die den Puls nach oben treibt und für einen schweißtreibenden Schockmoment nach dem anderen sorgt. Und das ohne Skrupel, ohne Rücksicht auf Verluste. Währenddessen schlägt der Thriller etliche Haken, um in den letzten zwanzig Minuten die Karten nun vollends auf den Tisch zu legen und einen unerwartet blutigen Überlebenskampf zu bebildern. Obwohl „No Exit“ erzählerisch deutlich an Substanz gewinnt, erinnert das Kammerspiel, das ausschließlich im Studio gedreht worden ist, an ein übergroßes Set aus einem der „Escape Room“ Filme. Eine richtig dichte Atmosphäre mag in dem leblosen Setting, trotz der Bemühungen um viel Kunstschnee, nicht aufkommen.

Fazit

„No Exit“ versteckt unter seinem nahezu leblosen Set und der intendiert geheimnisvollen Atmosphäre einen Überlebens-Thriller, der trotz etlicher Wendungen und im letzten Drittel unerwartet blutiger Gewalt nie zu der selben durchschlagenden Stärke und der nervenaufreibenden Beklemmung findet, die Damien Powers „Killing Ground“ so besonders werden ließ.

Bewertung

Bewertung: 5 von 10.

(50/100)

Bilder: ©Disney/Hulu