Triggerwarnungen auf Social-Media oder auf Streamingplattformen sind mittlerweile nichts Ungewöhnliches. Eine Warnung vor einer „unsympathischen weiblichen Hauptfigur“ ist dann allerdings doch befremdlich. Zunächst könnte man deshalb noch meinen: Vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen? Aber die Protagonistin in „Not Okay“ Danni lebt ihr Leben wahrlich nach dem Motto „Fake it till you make it“. Und wenn uns die 27-jährige Regisseurin Quinn Shephard, die mit gerade mal 23 Jahren ihren Debütfilm „Blame“ ins Kino brachte, dann die Songtextzeile „Du wirst mich hassen – Ich bin die Schlimmste“ zu ihrer Hauptfigur entgegenfeuert, ist die Warnung bitterernst gemeint. “Not Okay” ist seit 12.8. auf Disney+ zu sehen.
von Madeleine Eger
In einer Zeit, wo nämlich das perfekte, sorgenfreie Leben mit Luxus, Partys und stetig guter Laune nur einen Swipe von der harten Realität aus Nachrichten und Schicksalen aus aller Welt entfernt liegt, sich die eigene Existenz über Followerzahlen und Videoaufrufe definiert, tun etliche Menschen alles dafür, aus der tristen Masse hervorzustechen. Gesehen und geliebt zu werden, wichtig zu sein und Bedeutung zu haben. Und das um jeden Preis. In genau diese Kerbe schlägt nun „Not Okay“, wo uns die Protagonistin zu Beginn die Frage stellen wird: „Wolltest du schon mal so berühmt werden, dass es nicht mal wichtig war wofür?“ – Wenn man dann wie Danni Fame über Moral, Ethik und Gewissen positioniert, ist ganz vieles daran einfach „Not okay“.
Wenn Danni Sanders (Zoey Deutch) das Büro betritt, in dem sie für das Online Klatsch-Magazin „Depravity“ (zu deutsch Verdorbenheit) als Fotoredakteurin arbeitet, scheint sie nirgends so richtig dazuzugehören und auch die Schreibversuche werden von der Chefredakteurin mehr fassungslos als dankend angenommen. Ihr letzter Versuch sollte ergründen, warum sie selbst traurig ist und eine innerliche Leere verspürt. Die Erkundung ihrer Seele ergab, dass es wohl daran liegen müsse, in einem Stadtviertel zu wohnen, wo es keinen vernünftigen Matcha gibt und sie wegen einer Kreuzfahrt mit den reichen Eltern die Anschläge vom 11. September verpasst hat. Um aber trotzdem ihrer Traumvorstellung einer berühmten Autorin mit zahlreichen Followern näher zu kommen und um ihren Arbeitskollegen und Influencer Collin (Dylan O’Brian) zu beeindrucken, greift Danni tief in die Trickkiste. Doch ein Trip nach Paris, der nur am eigenen Laptop mit Photoshop stattfindet, entpuppt sich schließlich als folgenschwere Lüge, als kurze Zeit später Anschläge die französische Stadt erschüttern und sie plötzlich für jeden als Überlebende des Attentats gilt.
„Not Okay“ rollt die Geschichte von hinten auf und zeigt uns den massiven Shitstorm, dem sich Danni im Internet ausgesetzt sieht. Nicht nur Memes und wüste Beschimpfungen machen dort die Runde, sie wird sogar als die schlimmste Person betitelt, über die ein Youtuber jemals in seiner Show gesprochen hat. Und das, obwohl er sogar schon mal über Hitler sprach. Was macht also Danni, die nun mit verheulten Augen vor ihrem Laptop sitzt zu dieser unsympathischen und meistgehassten Frau, vor der uns der Film bereits warnte?
Shepard macht auch daraus kein Geheimnis, denn Zoey Deutch erweckt eine Figur zum Leben, bei der sich alles nur um sie selbst dreht, der jegliches Feingefühl fehlt, die unreflektiert in jeden Fettnapf tritt, von einem Cringe – Moment in den nächsten schlittert und ihre Antidepressiva als „Happy Pills“ bezeichnet. Als ihr nach den ersten haarsträubenden Interaktionen mit ihren Kollegen riesige Müllbeutel vor die Füße geworfen werden, während sie ihre dreiste Lüge um den Paristrip entspinnt, ist klar, was die Regisseurin meint und was wir von ihr halten sollen: Danni ist im wahrsten Sinne des Wortes betrügerischer Müll.
Als sie sich später (für Recherchearbeiten!) in eine Selbsthilfegruppe einschleust, wo Opfer von Schießereien, Anschlägen und Gewalt versuchen, ihre Traumata aufzuarbeiten und den Alltag ohne ständige Panik zu bewältigen, lernt sie die Aktivistin und Überlebende einer Schulschießerei Rowan (wirklich überzeugend in ihrer Rolle Mia Isaac) kennen. Hier fügt die Regisseurin ihrer Geschichte einen weiteren Aspekt hinzu, der allerdings mehr zweckdienlich erscheint. Die Degradierung von wirklichen Opfern von Gewalt, die Trauma- und Sprachaneignung, die Danni für ihren Artikel betreibt, bleibt weitestgehend unberührt. Stattdessen fokussiert sich die Regisseurin auf die Dynamik von Rowan und Danni und gewährt ihrer einst unsympathischen Hauptfigur immer mal wieder lichte Momente, die sie scheinbar berühren und ein klein wenig zum Nachdenken anregen (dabei ganz abgesehen von dem Sex-Fauxpax mit ihrem Schwarm Collin, der sie tatsächlich dazu veranlasst, das dauerkiffenden Influecersternchen mit anderen Augen zu sehen).
Womit man sich dann eben doch die Frage stellt, ob man ein Stück weit mit Danni mitfühlen soll oder darf, die gnadenlos ihrem Ende entgegensteuert. Das trägt letztendlich auch dazu bei, dass die zuvor bitterböse Satire ihren Biss verliert und erst in den letzten 15 Minuten mit einem starken Monolog von Mia Isaac das Ruder herumreißt.
Fazit
Als Satire über Internetbetrüger und die toxische Influencerkultur kocht „Not Okay“ über die Hälfte der Laufzeit leider nur auf Sparflamme. Sind die dicken Realitätsfilter dann erst einmal entfernt, bleibt außer heiße Luft nicht mehr viel übrig, wenn gleich „Not Okay“ mit drei wahnsinnig guten Darstellern und jeder Menge Cringe-Momenten punkten kann. Seit 12.8. auf Disney+.
Rating
(60/100)
Bild: (c) Disney