Superhelden überfluten unsere Kinoleinwände und Bildschirme in solchen Maßen, dass man einfach nicht mehr an ihnen vorbeikommt. In Hollywood sorgt dies für ein kreatives Dilemma: Einerseits will man mit Originalität punkten, aber andererseits auch die finanzielle Welle des Genres reiten. Drehbuchautor Bragi F. Schut versucht in “Samaritan” mithilfe von Regisseur Julius Avery der alten Geschichte von Gut gegen Böse einen neuen Anstrich zu verleihen. Zu sehen ist der Film, mit Filmveteran Sylvester Stallone in der Hauptrolle, jetzt auf Amazon Prime.
von Natascha Jurácsik
Der junge Sam (Javon Walton) hat es nicht immer leicht: Mit seiner Mutter wohnt er im unangenehmen Teil der fiktiven Stadt Granite City und muss sich inmitten von Kriminalität, Gewalt und Geldmangel durchschlagen. Nebenbei versucht er auch noch, zu beweisen, dass sein großes Vorbild Samaritan, ein heldenhafter Mutant, der bei einem Kampf gegen seinen bösen Bruder Nemesis angeblich starb, in Wahrheit noch lebt. Sam vermutet ihn hinter der unscheinbaren Fassade seines Nachbarn Joe (Sylvester Stallone) und will ihn überzeugen, erneut für Recht und Ordnung zu sorgen.
Der Film beginnt mit einer animierten Vorgeschichte zu Samaritan und Nemesis, was nicht gerade ideal ist, um die Handlung zu beginnen – man fragt sich, ob diese Informationen nicht anders hätten untergebracht werden können. Auf der anderen Seite sind solche epischen Mythen fester Bestandteil der Superheldentradition, wodurch die Eröffnungsszene zwar nicht so recht zum restlichen, realistischeren Ton passen will, ihren Zweck aber dennoch erfüllt.
Avery zieht jegliche visuellen Register, um eine Atmosphäre zu schaffen, die greifbar ist. Granite City wirkt durch die postindustrielle Kulisse und mit Abfall verschmutzten Straßen wie eine nordamerikanische Ortschaft, die ihre besten Jahre hinter sich hat und nun in eine graue Wolkendecke aus Schmutz und Resignation gehüllt ist. Anders als beim Marvel Cinematic Universe handelt es sich hierbei um eine Stadt, die von ihren Helden bereits verlassen wurde – und die Hoffnung ging gleich mit. Erst zur zweiten Hälfte von “Samaritan”, nachdem Joe seine Tarnung als einfacher Müllmann ablegt, setzt Avery gekonnt Neonfarben und unruhiges Flammenlicht ein, um die Umgebung parallel zur Handlung aufleben zu lassen. Ähnlich wie bei seinem vorherigen Projekt „Overlord“ stolpert man ein-, zweimal über mittelmäßiges CGI, aber die dynamischen Actionszenen und die ästhetische Mischung aus Realismus und Fantasy erschaffen einen fesselnden Look.

Auch die Story kann sich sehen lassen: Zwar ist die kritische Darstellung der moralischen Schwarz-Weiß-Malerei innerhalb des Superhelden-Genres spätesten seit Comicbuchautor Alan Moore nichts Neues, so bringt Schut trotzdem ausreichend Kreativität ins Spiel, ohne krampfhaft originell sein zu wollen, was sich auf die narrative Logik auswirken könnte. Die Figuren sind hier und da zwar etwas zweidimensional, doch die unterschwellige Komplexität von Stallones Charakter sticht dadurch besser hervor, wodurch der Zuschauer ihn gerne bei seiner Rückkehr in abenteuerliche Situationen begleitet. Der Dialog hingegen ist dann doch etwas ungeschickt und hätte von einigen kleineren Überarbeitungen profitiert. Aber das hindert die Schauspieler nicht daran, ihre Rollen sichtbar ernst zu nehmen und gekonnt zu verkörpern.
“Samaritan” darf zufriedenstellend enden: Der finale Twist funktioniert ziemlich gut, auch wenn die Wendung ein aufmerksames Publikum nicht völlig überraschen dürfte, so ist sie doch solide aufgebaut und fällt nicht aus heiterem Himmel, was für ein versöhnliches Ende sorgt.
Fazit
Auch wenn hier das Genre nicht neu erfunden wird und die Handlung zwischendurch etwas langatmig ist, lässt sich „Samaritan“ keine größeren Filmsünden zu Schulden kommen: Unterhaltsam, optisch sehr gelungen und überraschend eingängig sorgt Julius Averys neues Werk bei Superheldenfans für ein wenig Abwechslung. Hartnäckige Gegner wird er wohl nicht beschwichtigen, aber das muss er auch gar nicht – auch so sorgt er als Actionfilm mit Gefühl für angenehmes Abendprogramm.
Bewertung
(62/100)
Bilder: (c) Amazon Studios
Schlechte Schnitte in den Actionszenen, ein nervender Balg und ein müde und lustlos wirkender Stallone sind erhebliche Filmsünden.
Ich mag zwar keine Superhelden aber vielleicht riskiere ich mal einen Blick. Immerhin wird der gestreamt und kam nicht mal ins Kino…
Die deutsche Synchro ist unterste Schublade. Der Slysprecher hatte ja wohl mal so richtig keinen Bock. Unbedingt im O-Ton schauen