Statistisch gesehen wird Deutschland immer älter. Hinter Spitzenreiter Italien liegt Deutschland mittlerweile mit einem Durchschnitt von 44,6 Jahren auf Platz Zwei, Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Nicht nur, dass die allgemeine Lebenserwartung durch Medizin und Evolution generell steigt, auch das Verhältnis zwischen Senioren und Neugeborenen klafft immer weiter auseinander. Familien müssen die Karriere fokussieren um den Lebenswandel zu finanzieren, für Kinder bleibt da oft keine Zeit. Und auch nicht für die Alten, die einsam und allein ihren Lebensabend fristen.

von Cliff Lina

Zugegeben, ganz so drastisch mag es nicht sein. Es gibt immer noch genug Familien, die sich liebevoll um Großeltern oder Ur-Großeltern kümmern, doch viele ältere Menschen leben tatsächlich für sich oder in altersgerechten Einrichtungen, die – das ist kein Geheimnis – oftmals personell unterbesetzt sind und die Bewohner nicht so versorgen können, wie die es verdient hätten. Mit diesem Oberthema spielt „Old People“, ein deutscher Horrorfilm unter der Regie von Andy Fetscher, bei dem eine Horde blutrünstiger Rentner eine Hochzeitsfeier aus dem Ruder laufen lässt.

Doch von vorne: Anlässlich der Vermählung ihrer Schwester Sanna kehrt Ella samt ihrer zwei Kinder dorthin zurück, wo sie einst aufgewachsen war und mit ihrem Ex-Mann Lukas gelebt hat. Schon auf der Fahrt lernen wir die überforderte Mutter kennen, die sich nur schwer gegen die rebellisch coole Tochter und den aufgeweckten, nervigen Bub behaupten kann. Klischees aus dem Bilderbuch, bereichert durch Dialoge aus der Telenovela-Hölle. Doch eigentlich möchte „Old People“ ja von sozialen Missständen berichten und schlägt zum Glück schnell die Brücke, beispielsweise als die Familie den Großvater für die Hochzeitsfeier aus der Seniorenresidenz abholen möchte. Diese gleicht allerdings eher einem Lost Place: die Älteren starren an der Kamera vorbei ins Nichts, gefühlt ist jede zweite Lampe kaputt, der Putz rieselt munter von den Wänden und gerade konsumierte Nahrung findet schnell wieder den Weg auf den Teller zurück. Subtil geht anders. Realistisch sowieso.

Generell muss sich das Werk den Vorwurf gefallen lassen seine Thematik doch recht plakativ, um nicht zu sagen schlampig auszuspielen. Gerade weil der Film von Beginn an keinen Hehl daraus macht was er uns erzählen möchte, könnte das Drehbuch viel konsequenter zu Werke gehen und sich auf die Schockmomente konzentrieren. Diese sind nämlich bisweilen das einzige Highlight, was bei neuartigen Horrorfilmen selten der Fall ist. Wenn Rentner in spärlich beleuchteten Räumen wirres Zeug stammeln oder einfach nur bedrohlich ins Mikro röcheln, hat das unweigerlich ein gruseliges Momentum. Gewaltgrad und Soundeffekte passen auch, eigentlich steht die Basis für ein zumindest solides Gruselkabinett für Jung und Alt. „Old People“ entscheidet sich aber circa bei der Hälfte dafür doch lieber die komplett erahnbare und langweilige Familiengeschichte voranzutreiben und vergisst beinahe welches Genre er eigentlich bespielt.

Schlimmer noch, denn die anfangs per Text erklärte, übernatürliche Komponente wird aufgegriffen, womit es sich der Film denkbar einfach macht. Wir möchten gar nicht erklären warum die Dinge im Film passieren, also hier liebe Zuschauerschaft, Geister und so. Ihr wisst schon. Aus dem Off wird sogar explizit darauf hingewiesen, dass es keine logische Erklärung für die Geschehnisse gibt. Wow. Bei einem futuristischen Film wie „Tenet“ mag das noch funktionieren („Versuchen Sie nicht es zu verstehen, fühlen Sie es!“), aber die Dreistigkeit, mit der „Old People“ seine erzählerischen Schwächen zu kaschieren, beziehungsweise zu rechtfertigen versucht, ist absolut nicht nachvollziehbar. So geht dem Film spätestens im letzten Akt komplett die Luft aus, Szenen werden nur noch hektisch aneinander gereiht und die eingangs intonierte Sozialkritik versumpft in einem Medikamentencocktail aus manipulativer Soundkulisse, naiven Figuren und sich wiederholenden Jumpscares, die ihre besten Tage dort bereits hinter sich haben.

Fazit

Wer hat Angst vor’m alten Mann? Nach „Old People“ sicherlich ein paar Menschen mehr als zuvor, denn seine Grundstimmung und die gruseligen Momente kann der Film durchaus effektiv ausspielen, aber: Story und Logik werden dabei schneller vergessen als bei jeder Demenzerkrankung, sodass sich das Werk sein eh schon fragiles Genick mühelos selber bricht.

Bewertung

Bewertung: 3 von 10.

(34/100)

Bilder: ©Netflix