Die 9-jährige Babs wünscht sich nichts mehr als ein Haustier. Da ihr Papa allerdings allergisch gegen Hunde, Katzen und alles andere in Frage kommende Getier ist, bleibt ihr Wunsch unerfüllt. Eines Tages taucht ihr verschollener Opa wie aus dem Nichts auf: Der hatte einst seine Tochter – Babs’ Mutter – sitzen und seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Die Mama ist deshalb mäßig über den Besucher begeistert.
von Christian Klosz
Babs allerdings freundet sich schnell mit ihrem Opa an, die beiden entwickeln eine enge Bindung. Und als er ihr zu ihrem Geburtstag ein kleines Ferkel, ab dann Oink genannt, schenkt, ist Babs’ Glück vollkommen (Papa ist wundersamerweise gegen Schweine nicht allergisch). Babs’ Mama traut der Harmonie nicht, immerhin war ihr Vater früher Metzger und ihr schwant Übles in Bezug auf Oinks künftiges Schicksal. Und als überzeugte Vegetarierin lehnt sie seine Profession ohnehin ab. Bei Babs überwiegt dennoch das Vertrauen und die Freude über ihr Haustier und den neu gewonnen Großvater. Der führt allerdings wirklich etwas im Schilde: Die eigentliche Absicht hinter Oinks Anschaffung ist dessen Mästung zur späteren Wurstverarbeitung, um beim örtlichen Wurstwettbewerb teilzunehmen, wo er mit der Konkurrenz noch eine Rechnung offen hat. Kann das vorgezeichnete Ende Oinks als köstliches Nahrungsmittel noch verhindert werden?
“Oink” ist der erste in den Niederlanden realisierte Stop Motion-Langfilm. Rein technisch ist die Umsetzung einwandfrei, die Figuren (und Tiere) sind liebevoll gestaltet und der Film belegt, dass diese früher aus der Not und aus technischer Begrenzung geborene Tricktechnik immer noch ihren eigenen Charme hat.
Die Dramaturgie ist nachvollziehbar und so aufgesetzt, dass sie sowohl für Kinder, als auch Erwachsene von Interesse ist. Obwohl sich “Oink” und seiner Macher um eine halbwegs ausgewogene Figurenzeichnung bemühen und einige Charaktere angesichts der kurzen Laufzeit auch recht detailreich realisiert wurden, gelingt das im Fall des Großvaters nicht: Sein einziges “Verbrechen” ist, den Beruf des Metzgers erlernt und ausgeübt zu haben. Der ist bei uns bekanntlich weder verboten, noch verwerflich, da der Verzehr von Fleisch in unserer Gesellschaft akzeptiert und von der Mehrzahl der Menschen praktiziert wird. Da es sich bei “Oink” aber eindeutig um einen Film mit vegetarischer “Agenda” handelt, bleibt die Darstellung des Opas äußerst einseitig.
Weil er Metzger ist und im Zuge seines Berufs Tiere verarbeitet, muss er also auch ein schlechter Vater gewesen sein. Und nun seine Enkelin zu seinem eigenen Vorteil belügen: Das ist zu simpel und eindimensional. Und wenn auch das Bemühen da ist, einen Konflikt zwischen Generationen und unterschiedlichen Lebensentwürfen abzubilden, gelingt das nur unzulänglich. Denn es findet keine Verständigung statt, es werden keine Kompromisse gefunden, der Großvater darf auch keine Charakterentwicklung durchmachen oder lernen, dass es Wichtigeres gäbe, als bei einem unnötigen Wurstwettbewerb zu gewinnen – nein, er ist am Ende einfach der Bösewicht, der verstoßen wird und den alle hassen (dürfen). Und damit, so wird impliziert, ist das Problem gelöst, der Konflikt aus der Welt und alles gut.
Diese ideologische Moralisierung schadet “Oink” mehr, als sie ihm hilft, denn die Message ist am Schluss simpel, dass es keine Koexistenz zwischen Lebensentwürfen (konkret: zwischen Menschen, die Fleisch essen und jenen, die das nicht tun) geben kann. Dadurch wird der an sich sehenswerte Film unnötig missionarisch und angesichts der avisierten (minderjährigen) Zielgruppe auch recht manipulativ. Absolut nichts spricht dagegen, einen nachhaltigen und sorgsamen Umgang mit Natur und Tier anzusprechen und einzufordern (der übrigens auch im Rahmen einer karnistischen Lebensweise möglich ist). Das sollte aber – gerade in einem Kinderfilm – weniger “radikal” und kompromisslos geschehen. Denn so manch junger Zuschauer mag mit dem Gedanken aus “Oink” gehen, der eigene Opa, die Oma oder die Mama ist ein schlechter, böser Mensch, weil er oder sie Fleisch ist.
Fazit
Sieht man von den Schwächen der Figurenzeichnung und dem Ende ab, ist “Oink” ein technisch sehenswert umgesetzter Trickfilm. Seine Absicht, Familienkonflikte realistisch und ihrer Komplexität angemessen darzustellen, gelingt aber nur teilweise (etwa im Fall der Probleme zwischen Babs und ihrer Mutter), seine ideologische Kompromisslosigkeit schadet ihm mehr, als sie ihm nützt. Vermutlich nur für überzeugte Vegetarier und Veganer genießbar. Ab 4.5. im Kino.
Bewertung
(56/100)
Bild: © 2023 Kinostar Filmverleih GmbH