Sex, Leidenschaft, Eifersucht und Liebe sind die Emotionen im Mittelpunkt von Regisseur Ira Sachs („Little Men”, “Keep the Lights on“) neustem Filmdrama, in dem er uns in die Pariser Künstlerszene entführt und ein eindrückliches und ehrliches Bild von (post)modernen Beziehungen und dem Chaos dahinter zeichnet.

von Cedric Baumann

Der heißblütige und spontane Regisseur Tomas (Franz Rogowski, „Große Freiheit“) geht bei der Abschlussfeier seines neusten Filmes eine Affäre mit Grundschullehrerin Agathe (Adèle Exarchopoulos, „Blau ist eine warme Farbe“) ein und betrügt damit seinen Mann Martin (Ben Whishaw, „Die Aussprache“). Dieses zuerst noch aufregende Knistern einer Affäre droht die langjährige Ehe von Tomas und Martin zu zerbrechen und als der Reiz des Verbotenen für Tomas verblasst, sieht dieser sich vor eine schwierige Entscheidung gestellt.

„Passages“ mag in ersten Trailern und veröffentlichten Bildern noch wie ein schnelles, pulsierendes Erotikdrama wirken, über Strecken überrascht der Film allerdings durch eine angenehme Langsamkeit. Diese ist auch mehr als nötig, um die durchaus interessanten Charaktere in diesem Liebes-Chaos auszumalen und ihre Handlungen dem Publikum gegenüber verständlich zu machen. Besonders der mit Tomas’ Betrug konfrontierte Martin sticht hierbei als klischee-befreite und realitätsnahe Figur heraus und Ben Whishaw ist für seine subtile, aber doch vielsagende Performance zu loben. Auch Tomas Affäre Agathe mag auf den ersten Blick wie eine stereotype Geliebte wirken, doch genau wie Martin bleibt sie stets in ihren Bedürfnissen und den daraus entstehenden Entscheidungen nachvollziehbar und Adèle Exarchopoulos verkörpert hier hervorragend eine liebenswerte wie komplexe Persönlichkeit.

Leider funktioniert dieser bisher beschriebene Realismus nicht auf ganzer Linie und vor Allem Protagonist Tomas, der wie ein Wirbelwind von einem Körper zum anderen rast, dabei alles, das sich ihm in den Weg stellt, zerstört und scheinbar keinen Gedanken darüber verschwendet, bleibt ein Mysterium.

Dabei mangelt es nicht an Situationen, in denen die anderen, etwas rationaleren Charaktere versuchen wollen, einen Sinn hinter Tomas Lieb- und Leidenschaften zu finden, was oft zu gekonnt geschriebenen Dialogen und Streitgesprächen führt. Auch Franz Rogowski trifft keine Schuld an dem undurchdringlichen schwarzen Loch, das sich an die Stelle der Persönlichkeit seiner Figur geschlichen hat, da dieses besonders seinem exzellenten Schauspiel zu verdanken ist. Erst wenn man „Passages“ als eine gekonnte Charakterstudie eines Narzissten und Egoisten versteht, fallen alle Teile, die Ira Sachs präsentiert und Rogowski mit seinem Charakter Tomas verkörpert, langsam an ihren Platz. Dieser Wechsel von einfachem Liebesdrama zu einem destruktiven, fast schon sadistischen Spiel eines einzelnen, der sich nicht zu entscheiden vermag, passiert schleichend und macht aus „Passages“ weit mehr, als es zuerst den Anschein erweckt.

Fazit

Insgesamt stimmt das finale Gesamtbild von “Passages” zwar vielleicht nicht mit allen erweckten Erwartungen überein, aber Ira Sachs schafft es hier definitiv, erneut einen außergewöhnlichen und interessanten Film zu inszenieren.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(74/100)

Ab 31.8. im Kino.

Bild: (c) MUBI / SBS Productions