2012 machte ein überraschender archäologischer Fund Schlagzeilen: Die lange verloren geglaubten Gebeine des Plantagenet-Königs Richard III wurden unter einem Parkplatz in der britischen Stadt Leicester entdeckt. Hinter der Suchaktion steckte die Amateurhistorikerin Philippa Langley. “The Lost King” erzählt ihre (wahre) Geschichte.

von Lena Wasserburger

In Philippa Langleys (gespielt von Sally Hawkins) Leben läuft so einiges nicht nach Plan. Die lang ersehnte Beförderung bleibt aus, ihr Ex-Mann hat eine neue Freundin und da sie unter dem Chronischen Fatigue-Syndrom leidet, beginnt Philippa, sich immer weiter in sich selbst zurückzuziehen. Dann verändert ein Abend im Theater alles. Das Stück? Shakespeares “Richard III”. Entstellt, bucklig, ein Mörder, so schrecklich, dass selbst Hunde bellen, wenn sie ihn sehen – so lautet die wenig schmeichelhafte Beschreibung des Hauptcharakters, Richard III, durch William Shakespeare in seinem Werk. Doch wo die Einen einen Schurken sehen, sieht Philippa zunehmend eine zutiefst missverstandene, tragische Figur.

Tief berührt von der Vorstellung beginnt Philippa, sich in Recherchearbeit zu vertiefen, um mehr über den “wahren” König Richard in Erfahrung zu bringen. War er tatsächlich das Monster aus der Shakespeare-Literatur? Oder steckt hier noch mehr dahinter? Philippa lässt das Gefühl nicht los, dass sie hier etwas Großem auf der Spur ist. Je mehr Empathie Philippa für den angeblichen Thronräuber Richard entwickelt, desto mehr ist sie sich sicher, dass Shakespeare stark übertrieben hat und die Geschichte von Richard III noch nicht zu Ende geschrieben wurde.

Die Geschichte Englands bietet nicht erst seit Shakespeare jede Menge Stoff für spannende Erzählungen. William Shakespeare ist jedoch sicher der Mann, dessen Werke den größten Fußabdruck in unserer heutigen Welt hinterlassen haben. Mit seinem Stück “Richard III” prägte Shakespeare allerdings nicht nur Literatur und Popkultur, sondern auch die Wahrnehmung eines komplexen Kapitels der englischen Geschichte. Diesem Kapitel geht Regisseur Stephen Frears in “The Lost King” auf den Grund. Denn tatsächlich ist bis heute nicht vollständig geklärt, wie viel von dem, was wir heute über Richard III wissen, tatsächlich wahr und was aus schlichter Tudor-Propaganda hervorgeht, die nach Richards Tod vom neuen Herrscher Henry Tudor verbreitet wurde.

“The Lost King” positioniert sich hier klar und erweckt Richard III in Philippa Langleys Gedanken erneut zum Leben – und zwar als weisen, gerechten Herrscher, der seine Ruhe finden möchte. Was sich allerdings als sehr schwierig herausstellt. Die Suche nach Richards Grab ist aber glücklicherweise mehr Archäologiekrimi als träge Erzählung und weckt nicht nur in Philippa Langley den Entdeckergeist.

“The Lost King” hat zwar keine Blockbuster-Qualitäten, unterhaltsam ist er allerdings trotzdem allemal. Und das nicht zuletzt auch wegen Sally Hawkins’ sympathisch-schräger Performance als Philippa Langley. Da ist es gar nicht mal so störend, dass der Film manchmal einfach nur so dahinplätschert, wenn man als Ausgleich die Dialoge zwischen Philippa und ihrem Ex-Mann (Steve Coogan) und Philippa und dem imaginären Richard III (Harry Lloyd) erhält, die etwas so Menschlich-Warmes an sich haben, dass man zum Ende hin gerne noch mehr davon gehabt hätte. Wer hätte immerhin nicht einmal Lust, sich mit einer historischen Persönlichkeit wie mit einem guten Freund zu unterhalten? Philippas Entschlossenheit, hier ein Stück Weltgeschichte umzuschreiben, ist mitreißend – und das nicht nur, weil sie auf wahren Begebenheiten beruht. “The Lost King” mag wahrlich kein Meisterwerk sein, weder visuell noch Story-technisch – und doch ist der Film eine runde Geschichte, die wohl nicht viel besser erzählt hätte werden können.

Fazit

“The Lost King” ist kurzweilig und für Geschichte-Fans und vor allem für Anhänger der “Richard III Society” oder jene, die vielleicht beitreten möchten, empfehlenswert. Fanatische Shakespeare-Liebhaber oder Tudor-Fans sollten hiervon vielleicht die Finger lassen. Seit 6.10. im Kino.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

79/100

Bild: (c) Filmladen