Die 57. Internationalen Hofer Filmtagen finden vom 24. bis 29. Oktober 2023 statt. Neben den Film-Vorführungen vor Ort ist die Mehrzahl der Werke auch bei Online-Screenings auf der On-Demand-Plattform HoF zu sehen, wo Tickets für Online-Screenings erworben werden können. Online sind die Filme bis 5.11. verfügbar.

Film plus Kritik berichtet in den kommenden 2 Wochen ausführlich von den Hofer Filmtagen und widmet sich dabei insbesondere dem Online-Programm des Festivals.

Festivalprogramm: Übersicht

von Christian Klosz

„Rohbau“ von Tuna Kaptan – Kritik

Der etwas seltsame Einzelgänger Lutz wittert seine große Chance: Als Leiter eines großen Bauprojekts will er die Investoren von sich überzeugen und hofft in der Folge auf weitere lukrative Aufträge. Um Kosten zu sparen heuert er illegale Arbeiter vom „Arbeiterstrich“ an, doch ein tragischer Unfall gefährdet Lutz‘ avisierten „Weg nach oben“. Kurz darauf taucht die 14-jährige Irsa aus Albanien auf Lutz‘ Baustelle auf – sie sucht nach ihrem vermissten Vater. Lutz will sie so schnell wie möglich loswerden, muss sich schließlich aber doch seiner Schuld und Verantwortung stellen.

„Rohbau“ ist ein intimes, sensibles und genau beobachtetes Drama/Roadmovie über ein durch tragische Umstände zusammengeführtes, ungleiches Duo. Während Eigenbrötler Lutz die ebenso eigenwillige wie temperamentvolle Irsa – und damit die Erinnerung an den Unfall, der ihren Vater traf – aus seinem Sichtfeld verbannen will, drängt sie mit der ihr eignen Unnachgiebigkeit immer wieder in sein Leben. Sie spürt, dass irgendetwas nicht stimmt und dass Lutz mehr weiß, als er zugibt. Lutz widmet sich mit einer Mischung als halbherzigem Verantwortungsgefühl und Verdrängung der Situation, ist hin- und hergerissen zwischen Fürsorge für das junge Mädchen, Schuldgefühlen und der Verfolgung seiner eigenen Interessen.

Auf der Reise nach Albanien, wohin Lutz Irsa schließlich zurückbringen will, entsteht zwischen den beiden so etwas wie Freundschaft. Zwischen ihnen steht aber stets das Wissen um das Schicksal von Irsas Vater, das Lutz bekannt ist, ihr aber nicht.

Regisseur Tuna Kaptan inszeniert „Rohbau“ äußerst stimmig und realitätsnah. Bedrückende Sequenzen werden unterbrochen von wunderschönen Aufnahmen der albanischen Landschaft, von kurzen Momenten der Fürsorge zwischen den Protagonisten, von Leben, von Irsas hoffnungsvollen Träumen von der Zukunft, über denen aber stets die dunklen Wolken dessen schweben, was sie noch nicht weiß. Neben einer gelungenen Charakterstudie, einer Parabel über Freundschaft, Schuld, Verantwortung und (geplatzte) Träume erzählt „Rohbau“ aber auch von den Schattenseiten des modernen „Arbeitsstrichs“ und denen, die gezwungen sind, sich dort zu „prostituieren“. Einzig das allzu offene und irgendwie ziellose Ende lässt einen etwas ratlos zurück – man hätte sich doch etwas anderes für Lutz und Irsa gewünscht.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(83/100)

„Rohbau“ ist bei 2 weiteren Screenings vor Ort zu sehen und als VOD online verfügbar. Infos

Weitere Texte zu den Hofer Filmtagen 2023:

-> „Kids“ von Larry Clark

Bild: (c)Ben Bernhard_Wood_Water_Films