Mit dem gestrigen Tag musste die Welt den Verlust einer weiteren Ikone verschmerzen, denn Comiclegende Stan Lee ist von uns gegangen. Er prägte die Comiclandschaft wie kaum ein anderer, vor allem weil er seine Figuren von ihren Podesten hob und sie zu echten Menschen machte, mit denen sich der Leser identifizieren konnten. Die Verbundenheit Lees zu seinen Schöpfungen brach nie ab und so ist es nicht verwunderlich, dass „The Man“ himself auch sehr stark für den Erfolg der Marke Marvel, über die Comicbücher hinaus, mit verantwortlich zeichnete. Er stellte eine der treibenden Kräfte bei der Umstrukturierung des Verlages hin zu einem Medienunternehmen dar und fungierte bereits bei den ersten Gehversuchen seiner Helden im Fernsehen als Produzent. Auch wenn diese frühen Anfänge in den siebziger Jahren noch keine großen Erfolge verzeichnen konnten, hielt der Schöpfer seinen Kreationen doch stets auch im filmischen Bereich die Stange. Nachdem er sich weitestgehend aus dem Verlagswesen zurückgezogen hatte, beteiligte er sich auch weiterhin als Produzent und Berater an den Verfilmungen seiner Geschichten und war dadurch auch in den kreativen Prozess mit eingebunden.

Die auffälligste und legendärste Form seiner Beteiligung an den filmischen Projekten stellen aber mit Sicherheit seine Cameo- und Gastauftritte dar, die, wie einige vielleicht noch nicht wissen, sogar vertraglich festgelegt wurden. Diese Auftritte waren maßgeblich für den wachsenden Bekanntheitsgrad Stan Lees auch außerhalb der Marvel-Fangemeinschaft verantwortlich und zeigen eindrucksvoll seine einzigartige Leidenschaft für seine Schöpfungen.

Um diesen großartigen Geschichtenerzähler ebenso wie seine Arbeit zu ehren, wollen wir daher an dieser Stelle ein paar dieser denkwürdigen Momente Revue passieren lassen und uns an all die schönen Zeiten erinnern, die er uns Superheldenfilm-Affinen bescherte.

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Stan Lees erster Cameo: Am Hot Dog-Stand am Meer in “X Men”
  • Beginnen wir dabei gleich mit Stan Lees erstem Cameo in einer Marvel-Verfilmung: Dieser ereignete sich im Jahr 2000 in dem Film „X-Men“ und ist verglichen mit späteren Auftritten noch sehr dezent. Lee spielt hier einen Hot Dog-Verkäufer, der an einem Strand Zeuge davon wird, wie ein eben erst zwangsmutierter Politiker dem Meer entsteigt. Noch ohne Text und lediglich im Hintergrund stehend, könnte es sein, dass Unwissende damals dem Mann mit Schnauzer und Brille gar keine Beachtung schenkten und sich der Tatsache nicht bewusst waren, dass sie hier gerade ein Stück Filmgeschichte beobachten konnten.
  • Der zweite legendäre Cameo, der hier erwähnt werden soll, ist jener im ersten „Fantastic Four“ – Film von 2005, wo Lee den Briefträger Willie Lumpkin verkörperte – und somit das erste Mal eine in den Comics vorkommende Figur.
  • Noch legendärer war dann allerdings sein Auftritt im Nachfolger „Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer“. Hier spielte Lee nämlich keine Figur mehr, sei es nun ein namenloser Passant oder ein Comiccharakter, nein, hier spielte er sich selbst. Als er zur Hochzeit von Sue Storm und Reed Richards gehen möchte, wird er doch tatsächlich am Empfang von einem Wachmann aufgehalten, der ihm einfach nicht glauben will, dass hier gerade tatsächlich Stan Lee vor ihm steht. Klammheimlich schlich sich hier ein gewagter Bruch mit der vierten Wand ein, kamen doch bei den Fans Fragen auf wie jene, was es nun für die Verfilmungen genau heißt, wenn der Schöpfer der Comics plötzlich selbst in ihnen existiert.

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  • Noch größere Spekulationen in der Fangemeinschaft verursachte dann eine der Post Credit Scenes nach „Guardians of the Galaxy 2“, als man Stan Lee im Raumanzug auf einem unbekannten Planeten sitzen sieht, umgeben von einigen Wesen, die man als “The Watcher” kennt – einer Spezies, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle relevanten Vorgänge im Universum zu beobachten. Sofort schrillten bei vielen Kennern die Alarmglocken, andere sahen sich gar in schon länger gehegten Vermutungen bestätigt, und schließlich gab sogar Marvel klein bei und schenkte den Fans die Gewissheit, dass es sich tatsächlich bei Stan Lee im Marvel-Universum um einen Watcher handelt. Ein sehr kluger Schachzug, der mit einem Schlag alle bisherigen und noch kommende Cameos in Verbindung zueinander setzte und auf galante Weise erklärte, weshalb der ältere Herr immer dort auftaucht, wo gerade einmal wieder etwas Außergewöhnliches stattfindet.
  • Schließlich muss an dieser Stelle auch noch einmal des letzten Auftritts innerhalb des Marvel Universe gedacht werden, dieser erfolgte in „Ant-Man and the Wasp“ aus diesem Jahr. Hier spielt Lee erneut sich selbst und gibt, nachdem sein Auto vor seinen Augen schrumpft, kopfschüttelnd zu, dass er es in den 60ern wohl doch übertrieben hat.
  • Und zu guter Letzt sei hier noch Stan Lees bisher allerletzter Filmauftritt überhaupt in einer Comicverfilmung erwähnt. Eines der Highlights des diesjährigen „Venom“ war eindeutig, als am Ende plötzlich Stan Lee samt Hund vor Eddie Brock steht und mit einer vielsagenden Andeutung erneut sein „übermenschliches“ Wissen preis gibt und gleichzeitig gekonnt mit der vierten Wand spielt.

Natürlich waren dies jetzt nur ein paar wenige Beispiele, die aus der großen Anzahl an Cameos aufgrund ihrer Besonderheiten herausgepickt wurden, denn eigentlich stellte jeder einzelne dieser kleinen Auftritte stets ein amüsantes Highlight der jeweiligen Filme dar. Fans werden wohl nie vergessen, wie Lee mit Hilfe seines Trucks versucht, Thors Hammer zu bergen, von Iron Man als „Heff“ angesprochen wird oder als er bei einer Party von Tony Stark von Thors asgardischem Gebräu probiert und jener Ausspruch ihm über die Lippen kommt, der unauslöschlich für immer mit ihm verbunden sein wird: „Excelsior“ – und mit diesem Wort möchten wir uns auch von der Legende und dem Menschen dahinter verabschieden. Ruhe in Frieden, Stan Lee!

von Mara Hollenstein-Tirk