In den letzten Jahren begab es sich, dass das Science-Fiction Genre einen Aufschwung erlebte, wie wir ihn zuletzt zu Zeiten von „Independence Day“ und „Armageddon“ mitverfolgen konnten. Doch das Genre ist im Wandel; statt bombastischer Effekte und einer epischen Heldenstorys legten die Regisseure ihren Fokus nun viel mehr auf Atmosphäre und Tiefgründigkeit, zuletzt in „Interstellar“ oder „Arrival“ zu einer perfekten Symbiose verschmolzen. „High Life“, der erste englischsprachige Film der Französin Claire Denis, schlägt in dieselbe Kerbe, beansprucht die Aufmerksamkeit des Zuschauers aber auf eine andere Art und Weise.

von Cliff Brockerhoff

Die mittlerweile 73-jährige Autorin und Regisseurin, die für ihre melancholische und hinterfragende Inszenierung bekannt ist, bleibt sich auch in ihrem neuesten Spielfilm treu und erzählt eine Geschichte, die mehr Fragen aufwirft als sie Antworten geben kann. Mit Hilfe von zeitversetzten Bruchstücken erfährt der Zuschauer von einem Raumschiff, das sich auf einer ausweglosen Reise befindet. Seine Passagiere sind allesamt Verbrecher, die auf der Erde zu langjährigen Haftstrafen oder gar zum Tode verurteilt wurden. Anstatt ihre Strafe tatenlos abzusitzen, werden sie auf eine Mission geschickt, die unweigerlich auf ein schwarzes Loch zusteuert; gleichbedeutend mit dem Tod aller Insassen. Auch wenn die Reise auf freiwilliger Basis geschieht, stellt sich hier gleich zu Beginn die Frage, inwieweit eine moralische Vertretbarkeit vorliegt. Eine Antwort darauf bleibt der Film schuldig.

Im Laufe der Handlung werden durch Rückblenden und Dialoge die Schicksale der einzelnen Charaktere enthüllt. Besonders interessant ist hierbei die Figur des „Monty“, die gleichzeitig als Protagonist agiert. Dieser, das erfährt der Zuschauer direkt in den ersten Szenen, ist am Ende der letzte Überlebende und stolzer Vater einer gesunden Tochter. Das Zustandekommen dieses Umstandes ist durchaus kurios, und soll an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden. Ein wichtiger Faktor, dies sei aber verraten, ist die Ärztin „Dibs“, die in der sogenannten „Fickbox“ wohl eine der kuriosesten Szenen des Jahres bietet und die auf dem Schiff mittels künstlicher Befruchtung für das Fortbestehen der Menschheit sorgen soll. Welchen Grund dies hat, ob etwa die Menschheit auf der Erde nicht mehr existiert und noch viel wichtiger: ob dieses Vorhaben angesichts der Reise ohne Wiederkehr überhaupt sinnvoll ist, all das bleibt im Verborgenen.

Technisch wurde die nihilistische Thematik in sehr intimer Atmosphäre eingefangen. Das sehr zähe Erzähltempo und die generell nie überbordende Inszenierung sorgen für klaustrophobische Gefühlswallungen, die mitunter an den Nerven zerren. Im Zentrum steht immer wieder Robert Pattinson in seiner Rolle des „Monty“, der abermals beweist, dass er seiner „Twilight“-Zeit entwachsen ist. Etliche Nahaufnahmen seines Gesichts, respektive seines Körpers fokussieren ihn als Dreh- und Angelpunkt, auch wenn er im Vergleich zu den anderen Passagieren fast schon unscheinbar, gar unschuldig erscheint. Die feine bildliche Darstellung wird nur selten von musikalischen Klängen durchbrochen. In Anbetracht der starken Passagen, die sich einer klanglichen Komponente erfreuen, hätte es hier ruhig etwas mehr sein dürfen. So verlässt sich das Werk alleine auf seine unterkühlte Bilderflut, und kratzt leider nicht selten an der Grenze des Erträglichen.

Fazit:

Eine allumfassende Bewertung fällt in diesem Falle mal wieder besonders schwer. Wem der Sinn nach einem hypnotischen Bilderfluss einer schwerelosen Dystopie steht, wird in „High Life“ eines der Juwelen des Filmjahres vorfinden und sich in seiner Melancholie verlieren. Wer nach dem Film aber nicht noch Stunden mit der Dechiffrierung beschäftigt sein möchte, der wird vermutlich dem Delirium nah Richtung Ratlosigkeit taumeln. Denis’ Werk ist weit weg von einem schlechten Film, man hätte ihm aber gewünscht, dass er am Ende weniger auf seine Unnahbarkeit setzt und zumindest etwas mehr von der Anziehungskraft seiner finalen Destination ausstrahlt.

Bewertung:

7 von 10 Punkten

Bilder: ©Pandora Film