Fünfzig Jahre sind seit dem schlagartigen Ende der Sixties vergangen, die in den Manson-Morden ein trauriges Finale nahmen. Filmemacherin Mary Harron widmet sich nun dem mythisch verklärten Stück Zeitgeschichte in der bereits zweiten Verarbeitung dieses Jahr, nach Tarantinos „Once Upon a Time… in Hollywood“.

von Daniel Krunz

Nicht ganz so lange, nämlich drei Jahre ist es her, dass die für die Morde verantwortlichen Frauen in Sicherungshaft sitzen und ihren Mentor Manson zum letzten Mal gesehen haben. Trotzdem will der Mann nicht aus ihren Köpfen verschwinden, doch die Uni-Absolventin Karlene wagt im Rahmen eines Bildungsprogramms für inhaftierte Frauen den abenteuerlichen Versuch.

„Charlie says …“, bezieht sich auf die inflationär gebrauchte Formel im Sprachgebrauch der Mörderinnen, die zur Legitimation der Taten herhalten muss. „Kill your ego“, ist die Doktrin des Sektenführers, und gemeint ist die wortwörtliche Auflösung des Individuums. Diesen Prozess beschreibt Harron auf der zweiten Zeitebene des Films in der Geschichte von Leslie „Lulu“ Van Houtens Eintritt in die Gemeinschaft bis zu ihrer Wandlung als kaltblütige Killerin, die in Rückblenden erzählt wird. Besagte Protagonistin ist dabei die einzige Frauenfigur, die einen Hauch von Charaktertiefe zugestanden bekommt, die Persönlichkeiten ihrer Komplizinnen bleiben aber in einem Maße undurchschaubar, das der eigentlichen Intention entgegenwirkt. Die unmissverständliche Absicht liegt darin, die Geschehnisse, die zu den Morden führten, aufzurollen und Mansons geschickte Indoktrinierungsstrategien durch Drogen und psychologische Machtspiele aufzuzeigen.

Die Loslösung aus Mansons Griff als emanzipatorischer Schritt ist keine falsche, doch in der Ausführung simplifizierte Darstellung des Sachverhalts. Harron spricht den Frauen jegliche Eigeninitiative ab und stilisiert die Täterinnen zu Opfern eines diabolischen Genies. Der Hauptfigur wird dabei wie erwähnt der größte Tiefgang zuteil, doch auch ihre Charakterentwicklung basiert auf extremen Schritten, die sie abrupt zwischen Radikalisierung und Läuterung bewegen.

Glaubwürdiger hingegen erfolgt die Zeichnung von Manson selbst, der nicht als personifizierter Teufel, sondern als berechnender Chauvinist, der seine Zuhälterkarriere unter anderen Vorzeichen fortsetzend, sich Frauen durch gezielte Manipulation gefügig macht, in Erscheinung tritt. Mit Zuckerbrot und Peitsche, sprich LSD und Ohrfeigen, erzieht der Patriarch seine vornehmlich weiblichen Kinder und bereitet sie auf das Unsagbare vor. Leider interpretiert der Film dieses Unsagbare aber nicht als Unzeigbar und inszeniert die Tate/La-Bianca Morde als blutiges Finale eines durchaus subjektiven Tatsachenberichts. Die Gräueltaten werden dabei nicht in ihrer Gesamtheit dargestellt, beinhalten aber grobschlächtige Details, die der eigentlichen Intention entgegenwirkend, von fragwürdiger Sensibilität künden.

Fazit

Die neue Perspektive auf die Manson-Morde im Gender – Kontext ist ein nur teilweise geglücktes Unterfangen, das häufig in Naivität und Kitsch abrutscht, stellenweise sogar unerwartet reißerisch daherkommt. Es bleibt ein interessanter Zugang zum Sujet, den Harron wählt, zur allgemeinen Überraschung ist es im direkten Vergleich aber ausgerechnet Tarantino, der dieses sensibler behandelt und jegliche Kultifizierung der Person Manson geschickt umschifft.

Rating

67 von 100 Punkten