Ein Sprichwort besagt „Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“. Leistungssport mit Pferden wird allerdings stetig kontrovers diskutiert und Tierschützer prangern den Reitsport immer wieder an. Erst in jüngerer Vergangenheit sorgte der moderne Fünfkampf während der Olympischen Spiele für Schlagzeilen und auch ein bekannter Springreiter geriet kürzlich in die Kritik. Hinter der Passion für die großen Tiere, die Anmut, Stärke und Stolz repräsentieren, steckt zuweilen eine milliardenschwere Industrie, in die viele Hoffnungen und Träume gelegt werden.

von Madeleine Eger

Und genau daran knüpft „Dream Horse“ von Regisseur Euros Lyn an und arbeitet eine Geschichte auf, die auf wahren Ereignissen beruht. Nachdem die Erfolgsgeschichte des Rennpferds „Dream Alliance“ bereits 2015 als Dokumentation „Dark Horse“ auf dem Sundance Filmfestival vorgestellt worden ist, feierte sechs Jahre später die Verfilmung ebenfalls ihre Premiere auf dem Festival. Mit Toni Collette und Damian Lewis in den Hauptrollen avanciert die Geschichte zu einer britischen Wohlfühlkomödie mit ernstem Hintergrund, bei dem der walisische Begriff „Hwyl“ (das Gefühl emotionaler Motivation und Energie) eine große Rolle einnimmt und das mit Leichtigkeit sein Publikum mitreißen kann.

In einer kleinen walisischen Stadt lebt Jan (Toni Collette) mit ihrem Mann Brian (Owen Teale). Sie, ehemals erfolgreiche Züchterin – er ein ehemaliger Tierarzt, verleben ihre Zeit im trüben Alltag des einst blühenden und von der Kohleminenarbeit geprägten Ortes. Mit Wehmut schaut Jan auf ihre Vergangenheit zurück und wünscht sich nichts sehnlicher, als wieder einen Sinn zum Aufstehen zu haben. Ähnlich ergeht es Howard (Damian Lewis), dem Steuerberater, dessen Herz immer noch für die stattlichen Tiere schlägt. Ohne Erfahrung und Geld überzeugt Jan aber dennoch eine Gruppe Menschen, um mit einem eigenen Zuchtfohlen in den Pferderennsport einzusteigen und gegen die ganz Großen anzutreten. Mit Herzblut, Hoffnung und Zuversicht führt ihr Weg bis ins Rennen des Welsh Grand National. Jans eigentlicher Alltag ist dabei geprägt von Verpflichtungen, Arbeit und scheinbar nicht enden wollender Trostlosigkeit. Wenn sie am Morgen vom Schnarchen ihres Mannes geweckt wird, gedankenverloren vor ihren alten Trophäen und Bildern steht, durch die dunkle, noch schlafende Stadt den Arbeitsweg zum Supermarkt antritt, um sich dann später auch noch um die Eltern zu kümmern, merkt man: Jan will mehr. Wieder Freude, Begeisterung, Motivation und Energie, aber auch den Erfolg, das Siegesgefühl spüren, die sie jeden Morgen antreiben kann. Die Pferde, denen sie auf ihrem morgendlichen Weg begegnet, wirken da wie eine Träumerei. Aber auch wie ein Wink des Schicksals.

Zunächst scheint Jan nur an alte Erfolge anknüpfen zu wollen, genährt vom Wunsch nach erneuter Wertschätzung, denn sowohl ihre Eltern als auch ihr Mann zeigen sich zuweilen desinteressiert und genauso gefangen im grauen Alltagstrott. Als dann allerdings die Stute Rewbell einzieht, merkt man Jan und auch Brian zum ersten Mal so richtig an, wie sehr sie die Arbeit und den Umgang mit Tieren lieben. Vor allem Howard, der scheinbar in jeder freien Minute nur an Pferde zu denken scheint, blüht ab diesem Moment regelrecht auf. Toni Collette, Owen Teale und Damian Lewis sind dabei absolute Sympathieträger, die ihre Freude derart euphorisch und charmant spielen, dass sich die Begeisterung regelrecht auf das Publikum überträgt. Neben dem Schauspiel wirkt sich aber auch der mitreißende und emotional aufgeladene Score auf die Stimmung aus. Benjamin Woodgates komponierte für „Dream Horse“ Musik, die genau in den richtigen Momenten ans Herz geht. Aber auch die Spannung bei den Pferderennen wird gefühlsstark aufgegriffen, sodass man nicht mehr umhin kommt in diesen Szenen mitzufiebern, zu hoffen, dass alles gut läuft und man erleichtert nach dem Sieg aufatmen kann. Wenn im ersten Rennen gleichzeitig dazu die Szenerie aus der Perspektive des Pferdes gezeigt wird, sind Anspannung und erhöhter Puls nahezu unausweichlich.

Manipulativ wirken hingegen die Szenen, die einen fast spirituellen Familienband zwischen Jan und „Dream Alliance“ suggerieren sollen. Dieses „Mutter-Sohn“ Verhältnis, das man hier porträtieren möchte, kann jedoch nicht ganz überzeugen, denn nachdem das Pferd an den Trainer abgegeben worden ist, spielen sich gemeinsame Szenen oft nur an der Pferderennbahn ab. Jan, Brian und der Rest des Kollektivs werden immer häufiger zu Beobachtern und Wettenthusiasten, wo ein möglicher Geldgewinn vielleicht eine größere Rolle einnimmt, als man gern zugeben möchte. Nicht nur deshalb, sondern auch weil man nicht darauf verzichtet, Stürze zu zeigen, bleibt bei all der Freude ein bitterer Beigeschmack, der die überschwängliche Euphorie spürbar eintrübt. „Dream Horse“ gibt den Schattenseiten des Pferderennsports so ein wenig Raum, versucht sich aber vorrangig an der Darstellung einer zusammengewürfelten Gruppe Menschen, die durch das Tier nach langer Zeit das Gefühl von Gemeinsamkeit und Hoffnung wiederentdecken, ihre Lebensfreude wiedererlangen, zum ersten Mal wieder große Träume haben und dafür auch die bunten Glückssocken aus dem Schrank holen. Eine Underdog Story die also vor allem im Zwischenmenschlichen punkten kann und in den Momenten auch nicht kalt lässt.

Fazit

„Dream Horse“ erzählt mit Gefühl und auf charmante Weise die Geschichte von einem Rennpferd und ihren Besitzern, die mit ihrem Zusammenschluss eine ganz neue Verbundenheit und zum Glück finden. Getragen von einem mitreißenden Soundtrack und einem herzlichen Ensemble wird das komödiantische Drama zu einem feel-good-movie, dessen Atmosphäre zwar durch die unterschwellige Kontroversität des Pferdesports merklich eingetrübt wird, dem freudigen Vergnügen und liebenswertem Miteinander aber dennoch durchweg die Oberhand überlässt.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(60/100)