Vor etwa mehr als 70 Jahren ging die erste Episode von „I Love Lucy“ auf Sendung. Eine Sitcom, die einen beachtlichen Siegeszug startete und während der ersten Staffel für leere Straßen sorgte, sodass sogar Kaufhäuser ihre langen Öffnungszeiten anpassten um nicht mit dem Ausstrahlungstermin zu konkurrieren. Bei nur 15 Millionen Fernsehgeräten zur damaligen Zeit schalteten nämlich sagenhafte 11 Millionen Haushalte ein, um das Paar Lucille Ball und Desi Arnaz als Lucy und Ricky zu sehen.
von Madeleine Eger
Bis heute hat die Show nichts an Popularität eingebüßt, so locken etwa die Wiederholungen noch immer bis zu 40 Millionen Menschen vor die heimischen Bildschirme. Ein Beliebtheitsstatus, der dem Film von Aaron Sorkin (The Social Network, The Trial of the Chicago 7) schon vorab Schlagzeilen einbrachte, da die Besetzung der Rollen mit Nicole Kidman und Javier Bardem bei Fans umstritten war. Den Schlagzeilen zum Trotz holte der Film bei den Golden Globes und den Critic Choice Awards aber gleich mehrere Nominierungen und Kidman wurde sogar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Aber nicht nur deswegen ist „Being the Ricardos“ tatsächlich einen Blick wert.

Ein Montag im LA der 50er Jahre. Lucille Ball und Desi Arnaz führen als Showbiz-Paar eine turbulente Ehe mit allerhand Problemen. Er wird gerade des Ehebruchs bezichtigt, sie muss sich den Kommunismusvorwürfen stellen. Mit den Nachrichten finden sich die beiden zum Tableread ihrer Serie „I Love Lucy“ im Studio ein, um die kommende Episode am Freitag der Woche vorzubereiten. Spannungen im Team, Eherettung und dann auch noch Lucilles zweite Schwangerschaft. Eine nervenaufreibende, hitzige und leidenschaftliche Woche liegt vor den Beteiligten, die an Amerikas beliebtester Sitcom arbeiten.
„Being the Ricardos“ beginnt mit den reminiszierenden Interviews der drei Drehbuchautoren und einem zunächst ganz unerwartet dokumentarischen Charakter. Dies entpuppt sich allerdings schnell als fiktionalisierte Spielerei, auf die Sorkin später noch mehrmals zurückgreifen wird. Gespickt mit Hintergrundinformationen, die am Ende aber so gar keine mehr sind, wenn er darauf seine Protagonisten ins Spiel bringt und ihnen die Bühne überlässt. Denn nachdem die drei Autoren zu Wort kamen, überschlagen sich die Ereignisse in der nächsten Szene und bebildern die zuvor dargelegten Erinnerungen und grob umrissenen Charakterzüge des porträtierten Fernsehpaares. Im Grunde also nichts Neues, dass das Paar eine sehr stürmische und wechselhafte Beziehung hat, dass Desi in der Zeitung mit Liebschaften abgelichtet und Lucille vom Radiomoderator als Kommunistin dargestellt wird, wenn man uns schon vorab die kommenden Dreh- und Angelpunkte der Geschichte offenbart. Sorkins wiederholt sich hier gewissermaßen selbst und lässt damit auch die folgenden, scheinbaren Interviewausschnitte schnell überflüssig und deplatziert wirken, anstatt zielgerichtet mit ihnen zu spielen.
Nicht nur die dokumentarisch anmutenden Versatzstücke des Films lassen die Inszenierung holprig erscheinen. Die non-lineare Erzählweise wird ebenfalls zum Fallstrick für das sonst so hervorragend ausgestattete Drama, bei dem wir eine ereignisreiche Woche des Fernsehpaares begleiten. Denn für das Publikum, das wenig mit den Errungenschaften und dem aufregenden Leben von Lucille und Desi vertraut ist, baut der Autor und Regisseur sehr lange Rückblenden ein, in denen er den Werdegang beider Revue passieren lässt. So dehnt sich die Geschichte auf gut über zwei Stunden aus und bleibt den wahren Verdiensten der beiden für das zukünftige Format der Sitcom noch einiges schuldig. Denn dass „I love Lucy“ die Produktion mit Publikum völlig revolutionierte, die beiden mit damaligen Konventionen brachen und Lucille Ball am Ende selbst die erste Frau, die ein großes Fernsehstudio führte, wird schlussendlich nur eine Randnotiz. Das sich entwickelnde Eheporträt bremst das Tempo der Geschichte immer wieder merklich aus.
Im Gegenzug offenbart sich die Stärke von Sorkins Drehbuch in den Szenen, die die Sendungsvorbereitungen zeigen. Bissige, scharfe Dialoge landen in den Situationen treffsicher, tragen zur explosiven Atmosphäre bei und auch die Spannungen und Differenzen im Team werden dadurch stetig an die Oberfläche befördert. Nicht ganz unschuldig ist daran auch die Zeit, in der das Ganze angesiedelt ist. Die antikommunistische Hysterie, die auch zu Verfolgung und Stigmatisierung führte, ist am Anfang nicht nur für die Zusammenarbeit problematisch, für Lucille könnte es auch das Karriereaus bedeuten. Trotz der dramaturgischen Schwere führt Sorkin auch die Absurdität der damaligen Zeit vor und lockert die Szenerie fortlaufend auf. Als sie beispielsweise die Produzenten davon überzeugen wollen die zweite Schwangerschaft von Lucille mit in die Serie einzuflechten, ist das ein schier unmögliches Unterfangen. Denn wenn man nicht mal „Schwangerschaft“ im Fernsehen sagen darf, sind Bilder einer schwangeren Frau erst Recht ein absolutes No-Go. Dass Desi derjenige ist, der in Situationen wie dieser die Strippen zieht und sich auch gegenüber solchen Vorbehalten durchsetzten kann, klingt in diesen Momenten an, sonst spielt Javier Bardem allerdings nur die zweite Geige. Die Bühne gehört klar Nicole Kidman, die manchmal kaum wieder zu erkennen ist und auch in den eingeflochtenen visionären (und, gleichzeitig nachgespielten) Darstellungen der kommenden „I love Lucy“ Episoden ein überzeugendes Schauspiel ablegt.

Fazit
Durch die Bank akkurates Schauspiel, hervorragende Dialoge und ein starkes Setdesign stehen einer unausgewogenen Inszenierung gegenüber, in der die nicht lineare Erzählweise Details schluckt und ein zuweilen sehr oberflächliches Biopic präsentiert. Auch wenn „Being the Ricardos“ nur an der Fassade von zwei bemerkenswerten Persönlichkeiten und deren Leben kratzt, ist das Drama allemal sehenswert.
Bewertung
(70/100)
Bilder: ©Amazon Prime Video