Als seine Frau 2014 von russischen Söldnern brutal ermordet wird, nimmt das friedliche Familienleben des Lehrers Mykola ein jähes Ende. Auf Rache sinnend, tritt er dem ukrainischen Militär bei. Zum eiskalten Sniper ausgebildet, nimmt er bald die feindlichen Invasoren ins Visier und fügt ihnen erhebliche Verluste zu. Doch die Missionen werden immer gefährlich: Mykola muss stets mit perfekter Tarnung agieren und sich aus dem Hinterhalt an den übermächtigen Gegner heranschleichen. Als die Russen einen Elitescharfschützen schicken, um Mykola auszuschalten, kommt es zu einem nervenzerreißenden Duell auf Leben und Tod. (Verleih)

Kritik von Christian Klosz

“Ein packender ukrainischer Kriegsfilm nach wahren Begebenheiten” – so preist der Verleih “Sniper – The White Raven” an, der kürzlich auf DVD, BluRay und als VOD erschien. Tatsächlich basiert der Thriller von Marian Bushan auf einer wahren Geschichte, er wurde Anfang 2020 – also vor der russischen Invasion – gedreht. Finanziert wurde er zu einem Gutteil von der staatlichen ukrainischen Filmagentur und tatsächlich kann man ihm eine gewisse propagandistische Schlagseite nicht absprechen. Durch den Einmarsch der Russen in der Ukraine vor einem Jahr erhält der Film zusätzliche Aktualität und Bedeutung als Widerstands-Stück, das den mutigen Kampf eines ukrainischen Zivilisten gegen russische Besatzer ins Zentrum stellt, die in Teilen des Landes schon seit 2014 zugegen waren.

Dass “Sniper – The White Raven” einseitig, propagandistisch, teils militaristisch daherkommt, ist angesichts der Umstände nachvollziehbar und die Vorgänge seit Februar 2022 bestätigen die hier dargestellte Wirklichkeit, deshalb soll dieser Aspekt im weiteren nicht Gegenstand eines Qualitätsurteils sein. Ebenso macht einen Film aber nicht automatisch “gut”, wenn er für die richtige Sache steht, auch wenn die rezente Filmkritik beizeiten diesen Anschein vermittelt. So ist die Sache hier kompliziert.

Rein technisch gibt es wenig an “Sniper” auszusetzen: Das Geld der ukrainischen Regierung wurde sichtbar gut investiert und die Landschaftsaufnahmen und Kampfsequenzen weisen solide Qualität auf (wenngleich sie natürlich nicht mit höchsten Hollywood-Standards vergleichbar sind). Die Darsteller agieren ebenso solide und die “Heldenreise” des auf Rache sinnenden Protagonisten, der sich vom hippie-esken Pazifisten zum scharfschießenden Widerstandskämpfer wandelt, ist nachvollziehbar wiedergegeben.

Am ehesten mangelt es dem Film an einer griffigen und interessanten Dramaturgie: Hintergründe werden ausgespart, eine gewisse Plakativität kann man “Sniper – The White Raven” nicht absprechen und die Härte des Films ist wohl dem Sujet geschuldet. Besonders schwer ins Gewicht fällt aber, dass gerade im Mittelteil so etwas wie eine Handlung komplett fehlt: Zu Beginn des Films sehen wir Mykola und seine Frau in ihrem Alltag, dann wie russische Söldner sie töten. Und am Ende des Films die Rache Mykolas an den Mördern seiner Frau. Dazwischen gibt es aber beinahe eine Stunde an Aufnahmen der Militär-Ausbildung, bei ersten Kampfhandlungen and minutenlange Szenen, in denen die Sniper im Gras (oder sonst wo) liegen: Auch solche teils nötigen und handlungsarmen Plotsequenzen müssten dramaturgisch ausgestaltet werden, emotional zugänglich bleiben oder zumindest Spannung vermitteln, wie das etwa vergleichbare Werke wie “Shooter” oder “American Sniper” geschafft haben. In der ukrainischen Version plätschern sie oft nur dahin und trotz des aktuellen Inhalts kommt Langeweile auf.

Erst gegen Ende und nach langatmigem Aufbau kommt so etwas wie Spannung auf, die große Teile des Filmes hindurch fehlt. Will man solch ein eindeutig politisches Werk halbwegs objektiv beurteilen, will man weder dessen (nachvollziehbare und richtige politische) Absicht (positiv) in die Bewertung einfließen lassen, noch die recht eindeutigen (durchaus diskussionswürdigen) Mittel, diese zu kommunizieren, muss das Augenmerk auf dem Film als Film und auf seiner Qualität als solcher liegen. Und da kommt er über das Mittelmaß nie hinaus.

Fazit:

“Sniper – The White Raven” ist ein technisch sauber gemachter Action-Thriller mit propagandistischer Schlagseite, dessen dramaturgische Schwächen aber leider auch durch die hohe Aktualität des Sujets nicht wettgemacht werden können. Für direkt betroffene (Ukrainer/innen) bestimmt ein Film mit hohem (auch emotionalem) Identifikationswert, als Film selbst betrachtet aber nur unteres Mittelmaß.

Bewertung:

Bewertung: 5 von 10.

(51/100)

Bilder: © Busch Media Group GmbH