Je diverser die Filme über Superheld*innen werden, desto mehr zeigt sich, dass das MCU den Weg des geringsten Widerstandes genommen hat. – “Miraculous: Ladybug & Cat Noir – Der Film” ist die filmische Adaption der erfolgreichen Kinderserie und sollte eigentlich schon 2021 in die Kinos kommen. Dadurch, dass die Produktionen der vierten und fünften Staffeln der Serie Vorrang hatten, und schließlich aufgrund der Covid-Pandemie wurde der Start verschoben, doch nun ist es endlich soweit. “Miraculous” erscheint am 6.7. auf der großen Leinwand, beleuchtet als Musicalfilm erneut die Anfänge der Serie und adaptiert in diesem Zusammenhang nicht nur den Ursprung der Figuren, sondern auch die Handlung der ersten Staffeln.

von Richard Potrykus

Erzählt wird die Geschichte von Marinette. Sie ist eine tollpatschige Schülerin und wünscht sich nichts sehnlicher, als konfliktfrei durch den Tag zu kommen. Adrien, ebenfalls Schüler, hat sich derweil in sich selbst zurückgezogen. Der Tod seiner Mutter belastet ihn schwer und damit auch die Distanz zu seinem Vater Gabriel, der ebenso nicht in der Lage zu sein scheint, den Verlust zu verarbeiten. Dazu kommen andere Figuren, die aus der Serie bereits bekannt sind. Chloé, Sabrina, Alya, Nino, Wang Fu, Nathalie; alle sind sie mit von der Partie. Als der Schmerz über den Verlust der geliebten Frau für Gabriel zu groß wird, beschließt er, den Schmetterlings-Kwani einzusetzen. Dieses magische Artefakt soll es ihm ermöglichen, die Verstorbene wieder zum Leben zu erwecken. Gabriel legt das Artefakt an und verwandelt sich hierauf in Hawk Moth, den Bösewicht des Films. Im Sinne einer Art kosmischer Ordnung führt die Aktivierung des Artefakts dazu, dass sich zwei weitere Kwani auf den Weg machen, um Personen zu suchen, die sich ebenfalls verwandeln und gegen Hawk Moth antreten können.

“Miraculous: Ladybug & Cat Noir – Der Film” erzählt damit klassisch die Ursprungsgeschichte zweier Superheld*innen. Dabei richtet sich der Film gezielt an ein jüngeres Publikum und geht sensibel mit den Themen Gewalt und Zerstörung um. Während es also zu zahlreichen Sachschäden kommt, bleiben die Menschen unverletzt und führen die zerstörten Gebäude zu keiner weiteren Konsequenz. Dies ist ein geschickter Schachzug, der es dem Film ermöglicht, mehr Zeit in die Figurenentwicklung zu investieren. Und es ist gerade diese, die die enorme Stärke des Films bildet.

Die Nöte der Charaktere werden detailliert ausgespielt. Die Musiknummern sind innere Monologe, in denen die Figuren sich selbst und ihre Situation reflektieren. Sie stellen Fragen und suchen nach Antworten. Damit wird die Phase der Transition vom gewöhnlichen Menschen hin zum Superhelden wesentlich runder und immersiver als in anderen Franchises, in denen dieser Teil der Heldenreise meist oberflächlich und rein auf die Handlung bedacht, inszeniert wird. Hinzu kommt ein charmanter Wettbewerb, der sich darum dreht, herauszufinden, wer der Held bzw. die Heldin ist und wer der Side-Kick. Hier finden sich auch leichte Anklänge an den Kampf der Geschlechter.

Überhaupt verhandelt der Film die Heldenfrage auf sehr interessante Art und Weise. Fans der Serie wissen selbstverständlich, wer hinter den Masken von Ladybug und Cat Noir steckt, aber wer die Serie noch nicht gesehen hat, kann gerade im Bezug auf Cat Noir mitsuchen und mitraten, denn der Film inszeniert die Auswahl des Helden durch das intelligente Platzieren falscher Fährten, sogenannter roter Heringe. Im Laufe der ersten zwanzig Minuten kommen nämlich diverse Figuren für die Rolle von Cat Noir in Betracht und alle wären sie eine gute Wahl, da sie die Dynamik zu Ladybug auf besondere Weise variierten. Doch auch nachdem feststeht, wer in das Kostüm der schwarzen Katze schlüpfen soll, hört die Mehrschichtigkeit von “Miraculous” nicht auf. Wie bereits erwähnt, ist die Superhelden-Thematik nicht allein handlungsmotivierend. Die Superkräfte werden als Instrument der Selbstfindung angewendet, durch die die Figuren die Möglichkeit haben, die eigenen Sorgen zu überwinden.

“Miraculous” ist zwar für ein junges Publikum gedacht, aber bei weitem kein infantiler Film. Durch den Verlust der Mutter wird klar kommuniziert, dass es den Tod in der filmischen Realität gibt. Dementsprechend wirken die Gefahren real. Die Action ist zudem sehr schön und fantasievoll inszeniert. Es gibt echte Superheldenkämpfe, die den Gefechten in Marvel-Produktionen in nichts nachstehen, und auch, wenn sich das Publikum denken kann, dass hier und da diese oder jene Menschen nicht sterben werden, so kann es die Bedrohung dennoch als wahrhaftig empfinden.

Am Ende wird schließlich auf die Tränendrüse gedrückt. Nach dem Finale, welches ohnehin schon ordentlich daher kommt, gibt es eine Art Epilog, in der alle losen Fäden zusammengeführt werden, wodurch die im Film präsentierten Heldenreisen eine solide Vollendung finden.

Fazit

“Miraculous: Ladybug & Cat Noir – Der Film” ist eine fantasievolle und intelligente Mischung aus Comic-Action und Coming-of-Age und bietet Vergnügen für die ganze Familie. Der Film stammt zwar aus Frankreich, orientiert sich aber in Sachen Stilistik erheblich am japanischen Anime, wodurch Ähnlichkeiten zu “Sailor Moon” entstehen, die so offensichtlich sind, dass sie nicht nur in Reddit-Foren diskutiert werden. Die Handlung ist konsistent, auch wenn er es sich hier und da zu einfach macht.

Fans der Serie kommen beim Film voll auf ihre Kosten. Es werden diverse Tropes bedient, zukünftige Ereignisse angeteasert und auch die gewohnten Stimmen sind wieder zu hören. Und wer den Film ohne Kinder schauen möchte, kann ihn gerne als Trinkspiel missbrauchen. Es ist offensichtlich, dass Volkswagen eine nicht unerhebliche Summe Geld beigesteuert hat, wodurch ein ebenso nicht unerhebliches Product Placement ermöglicht wurde. Wer also immer dann einen heben möchte, wenn statt einer französischen Marke ein E-Fahrzeug aus Braunschweig zu sehen ist, kann hier ordentlich auf seine oder ihre Kosten kommen.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

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Weitere Texte unseres Autors Richard Potrykus findet ihr auf seinem Film-Blog Celluloid Papers.

Bild: (c) 2023 The Awakening Production – SND