„Es gibt niemanden, der uns verteidigt, also müssen wir uns selbst verteidigen!“, konstatiert die junge Frau mit dem Schauspiel ihres Lebens vor gefesseltem Publikum. Das allerdings nicht im Theater, sondern im Gerichtssaal, den der französische Regisseur François Ozon zur Bühne für seine weiblichen Hauptdarstellerinnen von „Mein fabelhaftes Verbrechen“ macht. Nach „8 Frauen“ und „Das Schmuckstück“ widmet sich der Regisseur in seiner 25-jährigen Karriere erneut den Geschlechter- und Machtstrukturen zu und verflechtet sie hier in eine Krimi-Komödie der 30er-Jahre. Opulent und pfiffig ist das Stück, bei dem Dynamiken in Anlehnung an den Weinstein-Skandal und #metoo Bewegung ans Tageslicht treten, sich die feministische Kampfansage allerdings vom Rampenlicht des Erfolgs in ihrer Wirkung zunehmend selbst entkräftet.

von Madeleine Eger

Die erfolglose Schauspielerin Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewic) und die auftragslose Anwältin Pauline (Rebecca Marder) leben zusammen in einem winzigen Pariser Apartment. Eine Wohnung, die den beiden Freundinnen dennoch finanziell viel abverlangt und mit der sie schon mehrere Monate im Mietrückstand sind. Den Vermieter können die zwei noch geschickt um den Finger wickeln, als dieser sein Geld sehen will. Mit dem Ermittlungsbeamten wird es dann allerdings nicht mehr ganz so einfach. Denn Madeleine gilt als Hauptverdächtige in dem Mord an einem bekannten und wohlhabenden Produzenten, den sie kurz zuvor in seinem Anwesen wegen eines Rollenangebots besucht hat. Von einem Mord weiß Madeleine jedoch nichts, obwohl sie nach der sexuellen Belästigung und dem nur knapp entgangenen sexuellen Übergriff wohl ein Motiv gehabt hätte. Glauben will ihr das zunächst niemand. Um einer Strafe zu entgehen, schmieden Pauline und Madeleine einen perfiden Plan. Denn als findige Anwältin weiß Pauline genau, wie Madeleine den Fall zu ihrem großen Auftritt werden lassen kann …

Den Regisseur, der im letzten Jahr mit der Fassbinder-Hommage „Peter von Kant“ die Berlinale eröffnete, auf ein Genre festzunageln, ist schier unmöglich. Schließlich befinden sich unter den 22 Filmen, die Ozon in seiner bisherigen Schaffenszeit hervorbrachte, Historiendrama „Frantz“, Romantikdrama „Sommer 85“ oder auch Krimithriller „Swimming Pool“. Eine Bandbreite, die oft von einer gewissen Leichtfüßigkeit begleitet wird und die ebenfalls in „Mein fabelhaftes Verbrechen“ die spitzzüngigen und temporeichen Wortgefechte tragen. Lose angelehnt an das 1934 erschienene Theaterstück von Georges Berr und Louis Verneuil, ist die Krimikomödie ein kleines Stück filmische Zeitgeschichte und lässt die Blüte der Screwball-Komödien, ganz nach Vorbild Ernst Lubitsch wieder aufleben. Polizeiverhöre und Zeugenaussagen entwickeln sich regelrecht zum Schlagabtausch und zur Feilscherei um Freiheitsstrafen, die Gerichtsverhandlung zum Kräftemessen und Entblößung der patriarchischen Unterdrückung, der Mordfall selbst zum Kampf um Ruhm und Ehre und einem erbitterten Comeback einer ehemaligen Stummfilmdiva auf Pariser Theaterbühnen.

Dabei glänzt nicht nur die auffallend ausladend und farbintensive Ausstattung des Films, die das Paris der 30er in sehr überzeichneter, manchmal theaterhaften Form wieder aufleben lässt. Gleichwohl versammelt Ozon ein Schauspielensemble vor der Kamera, das ihre Figuren mit dem nötigen Biss und dem richtigen Timing zur satirischen Überspitzung führt. Allen voran Isabelle Huppert, auch wenn die ihren glänzenden Auftritte erst im letzten Akt des Films hat und hier nochmal für Schwung in der streckenweise etwas zäh geratenen Geschichte sorgt. Als gescheiterte alternde Schauspielerin, die den Sprung vom Stummfilm hinzu den „Talkies“ nicht geschafft hat, wirkt der modetechnisch um einige Jahrzehnte in der Vergangenheit verwurzelte Filmstar, manchmal wie die böse Hexe eines Großstadtmärchens. Begleitet von der Musik von Komponist Philippe Rombi, der auch schon für „Frantz“ und „Das Schmuckstück“ mit Ozon zusammenarbeitete, ist die schelmische Intri-ganz der Diva ein herrliches Schauspiel.

Bis zum Auftritt von Huppert überzeugen die beiden Hauptdarstellerinnen Nadia Tereszkiewicz und Rebecca Marder mit gewieften wie gewitzten Dialogen und gleichwohl manipulativer Berechenbarkeit. Vor allem wenn es darum geht, die Herren in den Führungspositionen im Mordprozess von der Täterschaft zu überzeugen. Und hier liegt dann doch ein wenig die Problematik im Drehbuch von „Mein fabelhaftes Verbrechen“, wenn zuvor auch Gleichberechtigung plädiert und Machtmissbrauch angeprangert wird. Denn wenn der Gerichtssaal und ein (nicht frei erfundenes) Verbrechen zur Inszenierung verkommt, um daraus Profit zu schlagen, ist das ein Szenario, das Frauen erst kürzlich wieder vorgeworfen wurde, als es zu den Schlagzeilen rund um Rammstein kam. Während sich also Madeleine und ihre Freundin Pauline durchaus schlagfertig gegen das gesamte Spektrum an frauenfeindlichen Äußerungen der Richter und Beamten zu Wehr setzten und die Frauen in ihrem selbst gewählten Publikum mobilisieren, verzerrt der Regisseur im Verlauf zunehmend die Doppelbödigkeit seiner Geschichte sowie die Dringlichkeit derartiger Diskussionen und lässt seine Protagonisten zu Nutznießern ihrer kämpferischen oder vielmehr mordenden Vorreiterinnen werden. Eine Entwicklung, die am Ende den wortgewandten Spaß eintrübt und die Bedeutung der im Hintergrund arbeitenden Thematik schmälert.

Fazit

Ein blendendes Schauspielensemble, fantastisches Setdesign und temporeiche Wortgefechte machen das Spektakel rund um „Mein fabelhaftes Verbrechen“ zu guter kurzweiliger Unterhaltung, die sich an den Komödien der 30er-Jahre orientiert. Thematisch hochaktuell, schlägt die Geschichte allerdings eine Entwicklung ein, die schlussendlich für die Aufarbeitung vergleichbarer Fälle von Machtmissbrauch weniger wünschenswert ist.

Bewertung

Bewertung: 5 von 10.

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Bild: (c) Carole Bethuel – 2023 – MANDARIN ET COMPAGNIE – FOZ – GAUMONT – SCOPE PICTURES – FRANCE 2 CINEMA – PLAYTIME PRODUCTION