Man könne ein normales Leben führen. Etwas langweilig, aber schmerzfrei. Oder man wird Schauspieler und riskiert verrückt zu werden. So zumindest die Küchenweisheit, die Stellas Butler ihr eines morgens mit ans Bett bringt. Wenn aber Stella und und die anderen angehenden Schauspiellehrlinge sich bereits beim Auswahlverfahren des Théâtre des Amandiers am Rande der emotionalen Ekstase bewegen, sich entblößen, mit Ketschup die Dramatik nach oben treiben, oder ihr Innerstes Gedankengut nach außen kehren ist vielleicht die „Verrücktheit“ näher als man meint.

von Madeleine Eger

40 Bewerber von denen es nur 12 an die angesehene Schauspielschule von Patrice Chéreau (Louis Garrel) und Pierre Romans (Micha Lescot) schaffen. Unter ihnen Stella (Nadia Tereszkiewicz), Étienne (Sofiane Bennacer), Adèle (Clara Bretheau) und Victor (Vassili Schneider). Unter emotionaler Selbstaufgabe, fordert die Ausbildung den Lehrlingen einiges ab. Verwischt die Grenzen von Arbeit und Privatleben und wird für die jungen Erwachsenen eine turbulente Zeit aus Leidenschaften, Liebe und Tragik.

„Forever Young“ ist bereits die siebte Regiearbeit der Schauspielerin Valeria Bruni Tedeschi. „Les Amandiers“, so der Originaltitel, bildet dabei ein autobiografisch inspiriertes Zeitstück, in dem sich Bruni Tedeschi an ihre Ausbildungszeit an dem renommierten Theater im Pariser Vorort Nanterre in den 80er Jahren zurückerinnert. Eine Erinnerung die sie gemeinsam mit Co-Autorinnen Caroline Deruas-Garrel und Noémie Lvovsky auf die Leinwand bringt, dabei aber häufig relativ unfokussiert ins verklärend Romantisierende abrutscht.

Mit fließender Kamera bewegt sich die Regisseurin durch die Räume und versucht dabei ganz nah an ihre Darsteller und noch näher an deren Emotionen zu gelangen. Sätze fallen, aus denen die emotionale Überforderung der Jungdarsteller spricht, als ihre Arbeit mit ihrer Realität zunehmend verschwimmt. Entweder fühle man sich leer oder zu viel. Trotzdem gelingt die Nähe zu den Figuren und deren Gefühlswelt kaum. Zu keiner Zeit mag der gewisse Funke überspringen, in dem man sich als Publikum mitgerissen und sich von der angespannten und aufgeladenen Atmosphäre eingenommen fühlt. Denn die Regisseurin bearbeitet bedeutsame Storyelemente, die für die Entwicklung ihrer Charaktere wichtig sind, vorallem zu Beginn viel zu hastig und springt nahezu von einem Höhepunkt zum nächsten. Vom nervenzerreibenden Aufnahmeverfahren, bei dessen Ausgang Trauer und Extase nur einen Augenaufschlag von einander entfernt liegen, zum herausfordernden Work Shop in New York und zur Entscheidung der Rollenverteilung der Abschlussaufführung des Stücks „Platanow“. Keine der Situationen kostet die Regisseurin ausreichend aus, um uns vielleicht noch ein Stück näher an ihr Alter Ego Stella heranzulassen. Vor allem weil es in dem übertragen symbolischen Stück des „Platanow“ von Tschechows um die Fragilität und die Vergänglichkeit der Jugend geht, bleibt Stella eine spärlich gefüllte Projektion von Bruni Tedeschi, deren Sorgen, Ängste und Hoffnungen meist haltlos im Raum schweben.

Auch als sich die toxische Beziehung zu Etienne entwickelt, Drogensucht, ungewollte Schwangerschaften und die AIDS Krise in den turbulenten Alltag der jungen Darsteller mischt, bleibt „Forever Young“ spürbar distanziert. Viele der angerissenen Themen kommen nicht darüber hinaus lediglich als Randnotiz zu enden. Zumal die Regisseurin ihre Szenen (und Themenwechsel) oft mit merkwürdig anmutender Musikauswahl belegt, die nur an wenigen Stellen tatsächlich zusammenpassen. Auch wenn sich das Ensemble oftmals die Seele aus dem Leib spielt, „Forever Young“ lässt genau diese Seele insgesamt vermissen.

FAZIT

„Forever Young“ greift die Hektik und die Rastlosigkeit einer sich verflüchtigenden Jugend auf, verpasst aber dabei die Chance das damit verbundene emotionale Chaos und die Überforderungatmosphärisch und kraftvoll auf das Publikum zu übertragen. Am Ende bleibt man leider doch nur unbeteiligter Zuschauer auf Distanz.

BEWERTUNG

Bewertung: 5 von 10.

51/100

Bild: (c) Neue Visionen Filmverleih GmbH