Mangas und Animes aus Japan haben in den letzten Jahren viel an Popularität gewonnen und sind aus den heutigen Unterhaltungsmedien kaum noch weg zu denken. Ähnlich wie bei westlichen Animationen wird auch hier schon lange versucht durch Live-Adaptionen eine breitere Masse zu erreichen, allerdings mit bislang sehr wenig Erfolg. Obwohl Netflix erst kürzlich mit solch einer neuen Version der beliebten Serie „Cowboy Bepop“ eine Pleite verkraften musste, veröffentlich der Streaming-Dienst nun „One Piece“, eine Verfilmung des gleichnamigen Anime bzw. Mangas. Kann hiermit endlich gezeigt werden, dass Adaptionen doch funktionieren können?

Von Natascha Jurácsik

Monkey D. Luffy (Iñaki Godoy) hat den Traum den verlorenen Schatz des toten Piraten Gold Roger, das sogenannte One Piece, zu finden und zum König der Piraten aufzusteigen. Hierfür rekrutiert er den Schwertkämpfer Roronoa Zoro (Mackenyu), die clevere Diebin Nami (Emily Rudd), den Scharfschützen Usopp (Jacob Romero) und den Koch Sanji (Taz Skylar). Zusammen machen sie sich auf die Suche und behaupten sich gegen die Marine und andere Piratencrews.

Die erste Staffel widmet sich der sogenannten East Blue Saga, die im Manga und auch im Anime als Einführung in die Geschichte dient. Sofort fällt auf, dass sich die Macher viel Mühe geben sowohl alte als auch neue Fans anzusprechen: Eine bereits bestehende Kenntnis der Handlung wird nicht vorausgesetzt, wodurch sich nicht nur Anime-Liebhaber gut in die Handlung einfinden. Diejenigen, welche die Welt von „One Piece“ bereits länger verfolgen, dürfen sich über kleine Verweise auf bekannte Figuren aus dem Original freuen.

Visuell wurde offensichtlich auf Qualität geachtet: Das Set und die Effekte entsprechen einer kostspieligeren Netflix-Produktion und lassen im Grunde nicht viel zum Wünschen übrig. Die Kostüme sind ebenfalls gut umgesetzt und obwohl man sich als Novize zunächst auf die bunte Fantasy-Ästhetik einlassen muss, vermeidet die Produktion es wie eine Karnevalsveranstaltung zu wirken – dies ist auch nicht leicht, da „One Piece“ stilistisch zu einem der exzentrischsten Animes gehört und lange als „un-adaptierbar“ galt. Das Team hinter der Netflix-Fassung hat sich offensichtlich viel Gedanken zum Look ihres Beitrags gemacht und auch wenn er wahrscheinlich nicht jeden Fan überzeugen wird, kann man ihre Leistung nicht abstreiten. Interessant ist auch die Kameraführung: Durch viel Bewegung wird versucht die dynamische Optik der Kampfszenen, für die viele Animes bekannt sind, einzufangen. Zusammen mit gelungenen Choreografien bleiben diese Momente dennoch übersichtlich und sorgen für viel Unterhaltung.

Doch ein Großteil des Charmes ist den Schauspielern zu verdanken, die sich vollkommen auf ihre kuriosen Rollen einlassen und die beliebten Figuren auf eine Art verkörpern, die viel Raum für Neuinterpretation lässt, ohne aber ihre Essenz zu verändern. Vor allem Iñaki Godoy trifft den Charakter von Luffy sehr gut und reißt in jeder seiner Szenen alle Blicke auf sich. Netflix hat beim Casting definitiv gute Entscheidungen getroffen.

Was die Plattform allerdings weniger graziös gemeistert hat, ist die Länge der ersten Staffel. Bedenkt man, dass das Original einer der langlebigsten Animes überhaupt ist und allein die East Blue Saga 61 Folgen umfasst, ist es schwierig nachzuvollziehen, warum nur 8 Episoden geplant wurden. Der Handlungsaufbau ist zwar in Ordnung und wirkt auch nicht zu gehetzt, allerdings werden viele Details entweder ausgelassen und nur vage angesprochen. Möglicherweise wollte Netflix nach dem Flop von „Cowboy Bepop“ ihr neues Projekt mit einer Art Teststaffel ans Publikum bringen – oder aber es zeigt sich wieder einmal das altbekannte Geschäftsmodell der Streaming-Welt, gegen die im Moment von SAG-AFTRA protestiert wird: Weniger Folgen bedeuten weniger Bezahlung. Ob die Qualität darunter leidet, ist letztendlich egal, da sich Netflix darauf verlassen kann, dass die Beliebtheit des Originals ausreicht, um zahlreiche Fans davon zu überzeugen sich die neue Version anzusehen. Schade, denn von mehr Zeit zur Ausarbeitung der Geschichte hätte die erste Staffel eigentlich nur profitieren können.

Fazit

Ein starker Cast und interessante Optik – trotz des etwas mageren Drehbuchs überzeugt „One Piece“ mit viel Charme und Liebe zum Original. Jeden Zuschauer wird die Serie wohl nicht überzeugen können, doch es lässt sich nicht bestreiten, dass sie schon jetzt zu einer der besten Live-Adaptionen gehört, die Anime-Fans kennen dürften. Seit 31.8. auf Netflix.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

67/100

Bilder: © 2023 Netflix, Inc.