Am Beispiel Hong Kong zeigt sicht die Demokratiefähigkeit des chinesischen Regimes: Die Großstadt und ehemalige britische Kolonie wurde nach der Rückgabe an die VR China mit Sonderrechten ausgestattet, die den Hongkongern erlaubte, sich im Rahmen eines westlich-demokratischen Systems selbst zu verwalten. Mit Aufstieg Chinas zur Supermacht intensivierte sich der Griff nach der Macht in diesem „abtrünnigen Gebiet“ auf dem eigenen Hoheitsgebiet, die Phrase „one country, two systems“ leerte sich.

von Christian Klosz

Der Kampf der Einwohner Hongkongs für ihre demokratische Selbstbestimmung gipfelte 2019 in der „Regenschirm-Revolution“ inklusive zahlreicher Massenproteste – die vom chinesischen Regime auf dem Festland gewaltvoll niedergeknüppelt wurden. Eine systemtreue Verwaltung wurde installiert und Hong Kong gilt seitdem nur noch pro forma als „frei, demokratisch, unabhängig“. Diese tragische Entwicklung hat nicht nur Bedeutung für die Einwohner vor Ort, sondern auch Implikationen für den möglichen, künftigen Umgang der VR China mit Taiwan.

Der Dokumentarfilm „Be Water – Voices from Hong Kong“ vermittelt ein mosaikhaftes, teils auch etwas fragmentarisches Porträt Hong Kongs, das auf unterschiedlichste auditive und visuelle Quellen zurückgreift: Erzählt wird der Film und die Hintergründe dessen, was wir sehen, von Hongkonger/innen, die aus dem Off und ohne Gesicht (um ihre Identität zu schützen) ihre Lage schildern. Viele von ihnen waren Teil der Demokratie-Proteste, manche leben inzwischen im Exil, andere erzählen von ihren Familiengeschichten und warum es vielen Älteren schwer fällt, aktuelle Fehlentwicklungen in China zu sehen, da sie mit dem Aufstieg Chinas zur Weltmacht auch einen persönlichen Aufstieg aus bitterer Armut verbinden. Der chinesische Drache fliegt, fliegt hoch, und solange er das tut, brennt er mit speienden Feuerflammen alles nieder, das sich ihm in den Weg stellt.

„Be Water“ begleitet aber auch europäische Parlamentarier wie den deutschen Grünen Reinhard Bütikofer bei ihrer Arbeit in diversen EU-Ausschüssen, die sich den bilateralen Beziehungen zwischen der EU und China widmen.

Ergänzt wird all das durch teils drastische Aufnahmen von den Protesten in Hong Kong 2019 (und danach) und Bilder von massiver Polizeigewalt, die gegen die Domonstrant/innen eingesetzt wurde.

„Be Water – Voices from Hong Kong“ gibt den Menschen Hong Kongs eine Stimme und bietet sich als multiperspektivischer Exkurs über die Lage vor Ort an, der auch einiges über globale Machtverschiebungen und das chinesische Regime selbst erzählt. In Teilen ist das durchaus erhellend, schockierend, aber auch beeindruckend, mit welcher Vehemenz Aktivist/innen an ihren Idealen festhalten und für ihre Zukunft kämpfen. Zum anderen gestaltet sich der Film aber auch etwas zäh und wirkt inkonsistent, da die Informationen oft flüchtig und abrissartig präsentiert werden. Es ist kein rundes Werk, sondern eher eine audio-visuelle Collage, interessant und inhaltlich anspruchsvoll, aber auch etwas anstrengend.

Der Ausspruch „Be Water“ bezeichnet übrigens einen Begriff, den Hongkonger Protestierende verwenden, um ihren Aktivismus zu beschreiben: Sei „wie Wasser“, fließend, nicht greifbar, ändere deine Form und Gestalt, aber bleibe in Bewegung, um so Veränderung zu bewirken. Eine schöne Metapher, die auch bei uns zum Vorbild werden kann – immerhin steuern wir auf düstere, unsichere Zeiten zu, die jegliche Form von Einsatz für eine hoffnungsvolle, demokratische und nachhaltige Zukunft bitter benötigt.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(74/100)

Seit 7.9. in ausgewählten deutschen Kinos.

Bildquelle: (c) drop out cinema