Netflix veröffentlicht eine politische Satire aus Chile und wagt sich hiermit etwas weiter weg vom typischen Inhalt der Streaming-Plattform – Pablo Larraín und Guillermo Calderón präsentieren mit ” El Conde” einen Vampirfilm der etwas anderen Art und stellen den verstorbenen chilenischen Diktator Augusto Pinochet als 250 Jahre alten Blutsauger dar, der seines Lebens überdrüssig ist. Ganz in Schwarz-Weiß gehalten dürfte das Werk den ein oder anderen Zuschauer abschrecken, doch so mancher Fan abwegiger Streifen könnte begeistert sein.
Von Natascha Jurácsik
Nachdem Augusto Pinochet von seinem undankbaren Volk vertrieben wurde, verbringt er die Tage mit seiner Frau Lucia auf einem abgelegenen Hof und träumt davon, endlich sterben zu können. Um dies in die Wege zu leiten versammelt er seine Kinder um sich und teilt ihnen mit, dass er einige Dokumente im Wert von mehreren Millionen im Keller versteckt hat und diese nur gefunden und sortiert werden müssen. Sofort machen sich alle an die Arbeit, doch mit der Ankunft der jungen Nonne Carmen wird der Alltag der Faschistenfamilie endgültig auf den Kopf gestellt.
Der Film beginnt mit einem kurzen Überblick über Pinochets Leben bevor er in Chile zum Diktator wurde und als junger Soldat dem französischen König Louis XVI. bis zu dessen Hinrichtung diente; das ganze wird begleitet von einem Voice-Over, welches auch den Rest der Handlung mit Kommentaren versieht. Das Publikum wird hierbei nicht an der Hand genommen und vorsichtig mit Informationen gefüttert, sondern muss sich von der ersten Minute an ganz auf die Story einlassen, ohne allzu viele Antworten auf eventuelle Fragen zu erwarten. Die Mischung aus Fiktion und historischen Fakten ist wohl vergleichbar mit Quentin Tarantino: Auch er spielt mit der Möglichkeit geschichtlicher Alternativen in „Inglorious Basterds“ und „Once Upon A Time In Hollywood“, allerdings setzen Larraín und Calderón in ihrem Film sehr viel mehr auf Fantasy.
Ebenso ist die Handlung ab einem gewissen Punkt etwas schwieriger nachvollziehbar als bei Tarantino, da das Projekt offensichtlich allegorisch zu betrachten ist. Kennt man sich jedoch eher mäßig mit Pinochet und seiner Herrschaft in Chile aus, könnte man sich schnell bei einem verwirrten Kopfkratzen ertappen. Besonders die Figur der Nonne Carmen ist zwar sehr unterhaltsam, aber sorgt für konfuse Momente, die einem chilenisches Publikum eventuell klarer erscheinen.
Was hingegen besser funktioniert ist der Humor, der vor allem von einem ironischen Umgang mit den Charakteren ausgeht. Pinochet und seine Familie sind vollkommen uneinsichtig was ihre Verbrechen angehen und der ehemalige General wird selbst beim Morden mit einer starrsinnigen Resignation und Langeweile dargestellt, die fast ins Lächerliche reicht. Seine Frau und Kinder sind narzisstisch, naiv und teils sogar einfach dumm, wodurch jedes Gespräch belustigend ist. Nur Carmen hebt sich hervor: Durch ihre direkte und offene Art manipuliert sie die Familie wie eine verrückte Puppenspielerin, bis man die Augen nicht von ihr lassen kann.

Auch optisch ist „El Conde“ der reinste Erfolg: Regisseur Pablo Larraín weiß offensichtlich, wie man an ein monochromes Projekt herangeht und dass man dazu nicht lediglich einen Filter über die Aufnahmen legt. Mit clever inszenierten Einstellungen und hohem Kontrast trägt der Look nicht nur zur düsteren, eintönigen Stimmung bei, sondern macht sich jede Szene zu eigen, sodass man sich den Film gar nicht in Farbe vorstellen kann. Auch die mit praktischen Effekten erzeugten Gewaltszenen verlieren hierbei dennoch nicht an Wirkung.
Fazit
Eine politische Satire im Horrorstil – „El Conde“ wirkt, als hätten Robert Eggers und Wes Anderson eine neue Version von „What We Do In The Shadows“ gedreht. Das Ergebnis ist durchwachsen: Zwar überzeugen die Ästhetik und die Figuren, doch die Handlung ist für ein internationales Publikums dann doch zu abwegig, wodurch sehr viel Subtext verloren geht. Schwer zu sagen, wen genau der Film überzeugen wird und wen nicht, doch eine Sichtung ist er jedenfalls wert. Jetzt auf Netflix.
Bewertung
56/100
Bilder: Netflix ©2023
Der ist zwar recht gewöhnungsbedürftig aber hammergeil. So kann man auch ein “BioPic” machen – mit bitterböser, blutiger Satire. 😉 🙂