Über drei Filme hinweg konnte man verfolgen, wie in der Welt von John Wick nicht nur Keanu Reeves als Hauptfigur kunstvoll um sich schoss und es dabei mit unzähligen Auftragskillern aufnahm, sondern auch, wie er immer wieder in ein Hotel ging, welches eine besondere Schutzzone bot für ihn, für alle jene, die ihn töten wollten oder die er töten wollte. Dann gab es die News, man arbeite an einem Spin-Off über dieses Hotel. Schließlich kam mit “John Wick: Kapitel 4” ein weiterer Film in die Kinos, in dem einmal mehr das Hotel Schauplatz war, und nun gibt es die kurzweilige Miniserie “The Continental: Aus der Welt von John Wick” auf Amazon Prime.

von Richard Potrykus

In drei Folgen, mit je ca. 90 Minuten Laufzeit, wird hier ein Blick in die Vergangenheit gewagt, in die Zeit vor John Wick. Die Serie spielt in den 1970ern. Das Hotel wird geleitet von Cormac O’Connor (Mel Gibson), einem Despoten, der von seiner eigenen Macht korrumpiert ist und dessen Position nur noch von der Angst ihm gegenüber gestützt wird. Eines Nachts dringt Frankie Scott (Ben Robson), ein Untergebener O’Connors, in das Gebäude ein und stiehlt eine wertvolle Münzpresse. Als er damit entkommt, nimmt O’Connor Kontakt mit Frankies Bruder Winston Scott (Colin Woodell) auf. Frankie hatte dereinst ebenso für O’Connor gearbeitet, dann aber das Continental verlassen, um eigene Wege zu gehen. O’Connor erpresst Winston und fordert von ihm, Frankie zu finden und die Münzpresse wiederzubeschaffen. Gleichzeitig setzt er Gäste des Hotels auf Frankie an. Als dieser schließlich getötet wird, schwört Winston Rache, beschließt, O’Connor zu stürzen und die Kontrolle über das Hotel zu übernehmen.

In den Filmen umgibt das Continental eine Aura des Mystischen. Da gibt es den verschwiegenen Concierge, der alle Geheimnisse zu kennen scheint, die Namen der mörderischen Gäste kennt und immer zu Diensten ist. Dann ist da der Manager des Hotels, eine Figur wie ein Pate, der Hüter des Codex, nach dem niemand in dem Hotel getötet werden darf. Der Sommelier hütet die Waffenkammer des Hotels und alles wird mit einzigartigen Goldmünzen bezahlt. Das Hotel ist der sogenannten Hohen Kammer unterstellt und ist doch eine Institution, die einen besonderen Ruf genießt. Es ist schade, dass die Miniserie auf den Kosmos des Hotels nicht näher eingeht. So bleibt das Publikum auch nach knapp viereinhalb Stunden weiter im Unklaren über die Geheimnisse dieses Ortes. Tatsächlich ist das Continental nur der Schauplatz, in und um den sich alles abspielt und der als Ziel am Ende der Reise wartet. Wäre O’Connor nicht Manager des Hotels und säße stattdessen auf einem gut bewachten Anwesen außerhalb der Stadt, ginge der Serie nichts verloren.

Es wird zwar von Geheimgängen im Gebäude berichtet, man sieht kurz Hotelpersonal, das System für die Rohrpost und schließlich auch eine geheime Kommandozentrale, aber all dies hat nur handlungsmotivierende Funktionen, statt selbst Mittelpunkt der Handlung zu sein. Somit ist “The Continental” keine Hotelserie, sondern eine Serie, die von Figuren handelt, die auch mit einem Hotel in Berührung kommen. Bezogen auf den Untertitel “Aus der Welt von John Wick” ist dies leider ein Manko, da das Continental entgegen des verheißenden Titels keine Bedeutung hat. Dennoch ist “The Continental” eine sehenswerte Serie, die genauso wie die Filmreihe über skurrile Figuren verfügt, viel Action bietet und diese in anständigen Bildern einfängt und eigenständig funktioniert. Auch wenn gewisse Figuren wie Winston oder Charon (Ayumide Adegun) ebenso in den Filmen vorkommen und auch die Bowery und die Richterin involviert werden, hat die Serie ein eigenes Wesen und schlägt eine eigene Richtung ein. Es gibt kleinere und größere Side Plots und die Möglichkeit, sich auf mehrere Figuren zu konzentrieren, abseits des Protagonisten.

Formalästhetisch macht “The Continental” einfach nur Laune. Die Kamera bewegt sich frei und filmt die Events gerade so, wie sie es für richtig hält, was dazu führt, dass sie bei einem Kampf in einer Telefonzelle auch schon einmal das Geschehen von oben wiedergibt. Was darüber hinaus großartig an der Serie ist, ist die Liebe zur Ausstattung und zur Musik. Eine Bar sieht aus wie eine Bar aus den 1970ern, die Mode, die Songs, einfach alles ist aus den 1970ern. Gleichsam ist sie zeitlos, da es hier und da Dinge gibt, die nicht ganz authentisch daherkommen, was zwar irritiert, aber nicht sonderlich schlimm ist – immerhin handelt es sich um die Welt von John Wick und nicht um einen Millieustudie. Die Serie ist sehr farbenfroh und real. Man hat das Gefühl, vieles anfassen zu können. Es steht außer Frage, dass so mancher Hintergrund nicht da wäre, wäre nicht die Rechenleistung diverser Computer zum Einsatz gekommen, aber die Vordergründe sind plastisch. In Kombination mit der übertriebenen Action und einer gewissen Künstlichkeit der Figuren wirkt die Serie zudem auch comichaft, als wäre sie von Frank Miller inspiriert.

Ein Wermutstropfen, der nicht wenig ausgereizt wird, stellt die Treffsicherheit der beteiligten Figuren dar, unabhängig davon, welche Relevanz sie haben. Man sollte meinen, dass in einem Hotel, in dem allein Profikiller nächtigen, die Besten der Besten zu finden sind. Zudem ist ein Hotelkorridor nicht sonderlich breit. Dennoch gibt es in einzelnen Szenen Materialschlachten, in denen einfach niemand umfallen will.

Fazit

Alles in Allem ist “The Continental” nicht das, was es verspricht, und dennoch genau das, was man sehen möchte. Die Miniserie funktioniert wie so manche Serien heutzutage und spielt mittels der übertriebenen Gewalt aus “John Wick” mit einem Hauch Exploitation. Die Überlebenschancen aller Figuren sind etwas zu einseitig. Andererseits ist das filmische Vorbild, wie durch ein Wunder, auch aus manch unmöglicher Situation mehr oder weniger heile herausgekommen.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(79/100)

Bilder: ©Amazon Prime Video