Ab 18.1. in den deutschen Kinos.

Die 28-jährige Karo tritt zusammen mit ihrer 50-jährigen Mutter Michaela eine Urlaubsreise nach Rügen an. Gemeinsame Reisen haben für das Duo Tradition, doch ist der Trip für beide auch Flucht vor dem Alltag. Michaela plagen Sorgen, die sie ihrer Tochter nicht anvertrauen will. Die wiederum zweifelt an der Beziehung zu ihrem Partner, auch weil es „im Bett“ gar nicht mehr klappen will.

von Christian Klosz

In Rügen genießte man Essen, Getränke, Musik, den Strand, unterbrochen von steten Spannungen zwischen Mutter und Tochter. Nicht zuletzt die Begegnung mit Jochen, einem frisch geschiedenen Mann, und seiner Teenager-Tochter Marie machen den Urlaub für Karo und Michaela zu einer teils schmerzhaften Reise in die Vergangenheit. Alte Wunden brechen auf und beide sind gezwungen, sich, ihre Beziehung zueinander, die gefestigten Rollen zu hinterfragen und Wege zur (gemeinsamen) Heilung zu finden.

„Sprich mit mir“ ist der Uni-Abschlussfilm von Regisseurin Janin Halisch und laut deren Aussagen stark autobiografisch geprägt: Sie wollte ihre eigene, komplizierte, aber prägende Beziehung zu ihrer Mutter filmisch darstellen und reflektieren, aber auch Allgemeines über 2 (Frauen-)Generationen erzählen, die an Bruchstellen gesellschaftlicher Entwicklungen sozialisiert wurden.

Die Mütter, repräsentiert durch Michaela, wuchsen zwar bereits emanzipiert auf, so Halisch, ihre Beziehung zu Männern, Partnern, Ehegatten waren aber oft schwierig und von gegenseitigem Misstrauen der Geschlechter geprägt, was sich wiederum auf die Töchter (Karo) übertrug, die sich nun selbst mit ihren Prägungen auseinandersetzen müssen, die in ihren eigenen Leben Raum greifen.

Der Filmtitel „Sprich mit mir“ ist als Imperativ gemeint, als Aufforderung Karos an ihre Mutter: Die Tochter merkt, dass da irgendwas nicht stimmt, dass ihre Mutter ihr Dinge verschweigt, Probleme, persönliche Krisen, wenn auch nur um sie, Karo, zu schützen. Doch sie muss wissen, was los ist, fühlen, verstehen, um die Konflikte in ihrem eigenen Leben verstehen und lösen zu können. Aber Michaela schweigt, lebt „männliche“ Härte und Verschlossenheit, da sie dachte, für Karo beides – Vater und Mutter – sein zu müssen, nachdem Karos Vater abgehauen war, als sie 12 war.

„Sprich mit mir“ ist ein äußerst sensibles, genau beobachtetes und realitätsnah wirkendes Werk. Alle Figuren sind absolut glaubwürdig geschrieben und auch dargestellt, wobei Alina Stiegler als Karo am meisten überzeugt. Sie legt eine bemerkenswerte Leistung hin, die ihrer Figur, aber auch dem Film an sich emotionale Intensität verleiht.

Der Blick der Regisseurin Halisch wiederum zeichnet sich durch große Empathie aus, die sie ihren Figuren entgegenbringt, was sicher auch im autobiografischen Charakter des Films begründet ist. Ihre Protagonistinnen wirken echt, sind zum einen ganz normale Menschen mit gewöhnlichen Leben und nicht ungewöhnlichen Konflikten. Diese Konflikte aber verweisen auch auf etwas viel Tieferes, Universelles: Kleine Dramen – große Fragen.

So ist „Sprich mit mir“ ein beachtliches Spielfilm-Debüt geworden, eine intime Beziehungsstudie, eine Meditation über Eltern und Kinder, Mütter und Töchter, über Geschlechterbeziehungen und Gesellschaft. Eine verspätete „Coming of Age“-Geschichte, wie es die Regisseurin nennt, und dabei ein durchwegs erwachsener Film.

Fazit

Ein gelungenes Spielfilmdebüt mit emotionaler Tiefe, der das Konfliktpotential von Mutter-Tochter-Beziehungen auslotet und auf sehr realitätsnahe, glaubwürdige und sensible Art einfängt. Sehenswert.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

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Bild: ©dffb Antonia Lange