Im derzeit eher mauen Netflix-Programm dominiert seit Erscheinen am Montag die True Crime-Serie „American Murder: Gabby Petito“ die Charts. Sie erzählt von einem Mordfall, der 2021 die USA in Atem hielt.
von Christian Klosz
In den „sozialen“ Medien stellten sich Gabby Petito und Brian Laundry als glückliches Vorzeigepaar dar, das sich liebt und die Welt erkunden will. 2019 kamen die beiden damals etwa 20-jährigen zusammen, in der Frühphase der Corona-Pandemie entschieden sie sich dazu, sich einen Van zuzulegen und einen Road Trip durch die USA zu machen. Im August 2021 schließlich verschwand Gabby von der Bildfläche, sie meldete sich nicht mehr bei Familie und Freunden. Als die Medien begannen, über die Fall zu berichten, geriet die Familie ihres Partners in den Fokus, die jede Mitwirkung an den Ermittlungen verweigerte. Schließlich verschwand auch Brian. Das tragische Beziehungsdrama hinter dem Fall beleuchtet nun die 3-teilige Doku-Serie „American Murder: Gabby Petito“ auf Netflix.
Es ist eine typische True Crime-Miniserie, die ihren Inhalt auf 3 Folgen aufteilt. Zu Beginn wird mit Originalaufnahmen angeteasert, was passiert war, danach wird die Geschichte von Gabby und Brian chronologisch rekonstruiert. Zu Wort kommen Freundinnen von Gabby, ihr Ex, ihre Eltern (und Stiefeltern), aber auch mit dem Fall betraute Ermittler. Nicht zu Wort melden sich abermals die Laundries, die Familie von Brian, die eine Mitwirkung an der Doku verweigerten.
Gezeichnet wird in „American Murder: Gabby Petito“ das Bild einer jungen Beziehung, die gewöhnlich begann und nach und nach immer toxischer wurde. Bereits im Sommer 2021 wurde das Paar in seinem Van von der Polizei aufgehalten, nachdem ein Zeuge per Telefon gemeldet hatte, dass er einen Beziehungsstreit mit körperlicher Gewalt beobachtet hatte. Die Cops befragen erst Gabby, dann Brian. Er gab zu, dass es Streit gegeben hatte, wiegelte aber ab. Sie stellte sich selbst als primäre Aggressorin dar, vielleicht auch nur aus Scham, aus Angst, oder um sich zu schützen. Die Polizei trennte dann Gabby und Brian für eine Nacht – und ließ den Fall auf sich beruhen. Ein fataler Fehler.
Was danach genau geschah, wird die Öffentlichkeit nie im Detail wissen. Gabby verschwand Ende August 2021, sie meldete sich bei niemandem mehr, reagierte nicht auf Anrufe und Nachrichten. Eine ausgedehnte Suchaktion, riesige mediale Präsenz und der Einsatz der Van-Blogger-Community halfen schließlich, die tragischen Hintergründe ihres Verschwindens aufzuklären.

„American Murder: Gabby Petito“ stellt all das solide, anfangs auch durchaus spannend dar, ohne dabei zu glänzen. Die dritte Episode ist zu lang und fühlt sich teilweise wie Füllmaterial an, enthält auch entbehrliche Relativierungen, weil Gabby und Brian weiß wären. Schwerer wiegt, dass die Serie bei den psychologischen Hintergründen nur an der Oberfläche kratzt und kaum in die Tiefe geht, vor allem die Seite der Laundries bei der Recherche vernachlässigt: Gabby als naives Opfer „häuslicher Gewalt“, Brian als manipulativer Gewalttäter. Dass die Realität etwas komplexer gewesen sein mag, illustrieren vor allem die Gespräche mit Bekannten und Freunden der beiden.
Fazit
So ist „American Murder: Gabby Petito“ am Ende nicht mehr als eine weitere 0815-True Crime-Doku, die ihre Pflicht erfüllt, aber ohne zu glänzen. Freunde des True Crime-Genres werden auf ihre Kosten kommen und die Aufarbeitung dieses tragischen amerikanischen Kriminalfalles enthält auch die eine oder andere Erkenntnis. Im Sumpf der True Crime-Formate versinkt die trotzdem im breiten Mittelfeld.
Bewertung
(57/100)
Bild: (c) Netflix
