„Maps to the stars“ sind an Besucher der Stadt der Engel verteilte touristische Koordinatensysteme, die die Residenzen der Stars, Sternchen und Sternschnuppen in Beverly Hills und Umgebung kartografisch verorten: Man will ja wissen, welcher Wichtige wo wohnt, wenn man schon dort ist. Eine dieser verglühenden Sternschnuppen ist Havana Segrand (Julianne Moore) in David Cronenbergs 2014-er Film gleichen Namens: Sie psychisch kaputt, ihre dämonische Mutter tot, was sollte man anderes tun, als zwecks kreativer Selbstheilung seine eigene Mutter in einem in Produktion befindlichen Film darzustellen? Dazu noch sündteure esoterische Therapieeinheiten beim selbsternannten Guru Hollywoods, Stafford Weiss (John Cusack), der die Kranken dieser Scheinwelt scheinbar heilt – so lässt es sich schön dekadent leben in der Stadt des Showbiz, Hollywood.

Jener Stafford Weiss wiederum hat seine eigenen Probleme am Hals: Dass seine Frau eigentlich seine Schwester ist und seine Tochter sich und ihren Bruder zwecks (Selbst-)Mord anzünden wollte, ist zwar in diesem morbiden Sittengemälde Hollywoods, das Cronenberg zeichnet, normal, aber sollte dennoch nicht jedermann wissen, da doch karrierehinderlich. Als die verrückte Tochter Agatha (Mia Wasiachowska), die man in die Psychiatrie gesteckt hatte, um sie loszuwerden, plötzlich nach L.A. zurückkehrt, ist erneut Feuer am Dach: Sie bedroht zudem das höchst erfolgreiche Leben von Sohn Benjie (Evan Bird), ein hassenswerter und arroganter kleiner Kinderstar-Verschnitt mit exzessiver Drogenvergangenheit und eben beendetem Entzug – und das mit 13.

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So in etwa der Abriss von David Cronenbergs „Maps to the Stars“, der 2014 in Cannes seine Premiere feierte. Diese bitterböse Abrechnung mit Hollywood fand nicht nur Fans, was mitunter damit zu tun haben könnte, dass Cronenberg den Stars der Filmmetrolpole den Spiegel vorhält, einen gar düster funkelnden Spiegel, der nur die Schattenseiten dieser „Welt des schönen Scheins“ reflektiert. In erste Linie ist „Maps to the Stars“ eine zynische Satire, die das zeigt, was wir alle ohnedies hinter der glitzernden Fassade Hollywoods vermuten: Depression und Wahnsinn, Sucht und Selbstsucht, Leid und Hass und Gewalt bis hin zu Mord und sexuellem Missbrauch, gipfelnd in inzestuösen Beziehungen und ständig vom Einsturz bedrohten wolkenkratzerhohen Lügengebäuden. Natürlich gibt es hier keine Erlösung, eine Stadt, ein Mikrokosmos, der auf Lügen gebaut ist, kann ohne dieselben nicht existieren, und so ergibt Cronenbergs Bild von Hollywood ein perverses Panorama an stets kurz vor dem Zusammenbruch stehender Existenzen.

„Maps to the stars“ führt fort, was Cronenberg mit „A dangerous method“ und „Cosmopolis“ begonnen hatte: Erkenntnisreiche Reflexionen über Epochen oder Milieus, minutiös fotografierte und messerscharf analysierte Mikrokosmen der menschlichen Schattenseiten. Sehenswert, ohne die emotionale Intensität von „A dangerous method“ oder die sterile Subtilität von „Cosmopolis“ zu erreichen, dennoch ein weiterer Fixstern auf Cronenbergs filmischer Kartografie der menschlichen Perversitäten.

von Christian Klosz