Ein gelbgrüner Schlangenkörper als Symbol für Veränderung, Verjüngung und dem Sehnen nach Entdeckungen soll ein Kino der Offenheit beschwören, das Sinne und Augen zu öffnen vermag. Das Plakatsujet der diesjährigen Viennale (24. Oktober bis 6. November) war nur ein Teil des Ausblicks auf die Themen und Programmpunkte der 57. Ausgabe des österreichischen Filmfestivals, den Viennale-Chefin Eva Sangiorgi vergangenen Donnerstag präsentierte.

Wie bereits im letzten Jahr, als Sangiorgi die Nachfolge des unerwartet verstorbenen langjährigen Programmgestalters Hans Hurch antrat, will die 41-jährige Italienerin eine Vielfalt an Stimmen präsentieren, die bekannte Namen mit Neuentdeckungen vereint. Dabei soll erneut auf eine Unterscheidung von Spiel- und Dokumentarfilm verzichtet werden: Es sei eine überholte Kategorienbildung, sagt sie. Thema der Viennale sei lediglich „Film“.
Im Hauptprogramm werden unter anderem Filme von Marco Belocchio („Il Traditore“), Lav Diaz („Ang Hupa“), Elia Suleiman („It Must Be Heaven“), sowie den Gebrüdern Dardenne („Le Jeune Ahmed“) gezeigt, die sich zum Festival allesamt in Wien einfinden werden. Weiters mit dabei sind Gewinner europäischer Festivals wie „Synonymes“ von Nadav Lapid und „Vitalina Varela“ von Pedro Costa.
Zu den österreichischen Filmen, die im Programm gezeigt werden, gehört Jessica Hausners „Little Joe“, der in Cannes mit dem Preis für die beste Darstellerin (Emily Beecham) honoriert wurde, aber auch „Die Dohnal“ von Sabine Derflinger, „Dieser Film ist ein Geschenk“ von Anja Salomonowitz und „Space Dogs“ von Elsa Kremser und Levin Peter.
Neue Sparten
Unverändert bleibt der Standort des Festivalzentrums im Museumsquartier. Änderungen wurden dafür bei der Spartenbildung vorgenommen: Unter dem Titel „Monografien“ sollen Regisseure und Regisseurinnen gefeiert und ihr kreatives Schaffen ausführlicher erkundet werden, so etwa die deutsche Filmemacherin Angela Schanelec, die bei der diesjährigen Berlinale für ihren Film „Ich war zuhause, aber…“ mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet wurde. Außerdem gefeiert wird der französische Filmemacher, sowie Ackerbauer und Viehzüchter Pierre Creton. Das Filmschaffen des Tunesiers Ala Eddine Slim, der den Arabischen Frühling und dessen Auswirkungen filmisch dokumentierte, wird unter dem Titel „Kino an den Rändern“ präsentiert. Portugiesin Sílvia das Fadas wird für ihre Suche mit der Kamera nach Geistern und Bildern gefeiert. Die Filmschaffenden werden alle zum Festival in Wien erwartet.

Die Sparte der „Kinematografien“ hingegen vereint Filme nach thematischen Schwerpunkten. Mit „Brasilien entflammt!“ ist etwa eine 20 Werke umfassende Auswahl getroffen worden, die das zeitgenössische brasilianische Kino skizzieren soll. In „Der weibliche Blick“ wird hingegen dem Werk der Wiener Filmpionierin und ersten österreichischen Regisseurin Louise Kolm-Fleck (1873-1950) Tribut gezollt, die mit Themen wie Vergewaltigung und Abtreibung spezifisch weibliche Perspektiven ins Stummfilmkino brachte.
Die „Historiografien“ beschäftigen sich schließlich mit der Geschichts- und Filmgeschichtsschreibung durch das Kino selbst und verpflichten sich der Bewahrung und Förderung des Film-Gedächtnisses. Gezeigt werden etwa Filme, die erst kürzlich in verschiedenen Filmarchiven der Welt gefunden wurden.
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Die in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum programmierte Retrospektive trägt dieses Jahr den Titel „O Partigiano!“ und widmet sich dem heute nahezu vergessenen Partisanenfilm. Davon entstanden zwischen den 1940er und den 1980er Jahren europaweit zahlreiche Filme, die auf ästhetisch vielfältigste Weise vom zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen den Faschismus erzählen.
Fotos: (c) Paul Kunz