Trotz offensichtlicher Reminiszenzen zu vorangegangenen Genreperlen wie „Interstellar“ oder „Arrival“ war das mediale Echo eher zurückhaltend, als James Gray seinen neuen Film „Ad Astra“ angekündigte und gleichzeitig verlauten ließ, dass dieser die „realistischste Darstellung der Raumfahrt“ beinhalten würde, die die Filmlandschaft bisher zu Gesicht bekam. Positive Erwartungshaltungen verloren sich in den gemischten Stimmen wie ein Wort in der Unendlichkeit des Universums. Zu verkopft waren vergleichbare Werke, und konnten so letztlich eher Cineasten als das große Mainstream-Publikum abholen. Anstelle von großem Spektakel im All schlägt die aktuelle Science Fiction-Welle eher ruhigere Töne an, und seit dem 20. September reitet nun ein brandneuer Vertreter mit an vorderster Front.

Und eines sei an dieser Stelle vorab betont: „Ad Astra“ sondert sich noch weiter von traditionellem Genrestoff ab als die eingangs erwähnten Titel. Trotz klassisch atemberaubender Bilder und der geschichtlichen Umrahmung dürfen das All und seine Facetten nicht als Zentrifugalkraft verstanden werden, sind es doch die fast schon kümmerlich wirkenden individuellen Emotionen, die Grays Film antreiben. “Ad Astra” agiert fernab jeglicher effektüberladenen Stangenware, nutzt seine Optik lediglich zur Verstärkung seiner Motive und ist so weit entfernt vom Mainstream wie die Erde vom Neptun.
Storytechnisch lässt sich das Ganze schnell in seine Einzelteile zerlegen; Clifford McBride, seines Zeichens hochdekorierter Astronaut, wird im Zuge des „Lima Project“ auf der Suche nach intelligentem Leben in den Weltraum entsandt und flieht, mehr oder weniger geflissentlich, vor seiner irdischen Verantwortung, um seiner beruflichen Obsession nachzugeben. Dabei hinterlässt er Frau und Kind, die unter dem Verlust leiden. Letzteres wächst unter dem Namen Roy McBride auf, tut es seinem Vater gleich und widmet sich ebenfalls der Raumfahrt. Doch McBride sen. kehrt nie zur Erde zurück und hinterlässt nicht nur eine Familie, sondern vor allem eine innere Leere in der Gefühlswelt seines Sprösslings.

Dieser wird dabei von niemand geringerem als Hollywood-Star Brad Pitt verkörpert, der im Verlaufe der Handlung damit beauftragt wird, die Umstände des Verschwindens aufzuklären und sich auf eine Reise in die Zukunft begibt, bei der die Vergangenheit immer mehr zur Gegenwart wird. Pitt beweist sich dabei abermals als gnadenlos versierter Schauspieler, der als einzig „echter“ Hauptcharakter zwangsläufig im Fokus steht. Mittels unzähliger Nahaufnahmen bekommt der Zuschauer jede Gefühlsregung aus nächster Entfernung mit, und auch wenn McBride jun. eine eher flache Charakterentwicklung erfährt, ist jede seiner Handlungen authentisch. Jede Falte in seinem Gesicht ist voll von Emotion, und spätestens wenn die Augen sich simultan mit Tränen füllen, aber ihren Entstehungsort nicht verlassen, wird klar, dass Pitt eine denkwürdige Performance hinlegt. Unglücklicherweise ergeht sich seine Figur zu oft in repetitiven Monologen und beraubt sich so der Wirkung seines Minenspiels. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Ganz anders verhält es sich bei der Darstellung des Weltraums – hier holt “Ad Astra” alles aus seinem Budget heraus und besticht mit hochglanzpolierten Bildern, die für die große Kinoleinwand geboren sind. Lautlose Verfolgungsjagden auf dem Mond reihen sich an weit aufgezogene Darstellungen fremder Lebensräume, immer wieder untermalt von einem fantastisch schwermütigen Soundtrack aus dem Taktstock von Großmeister Max Richter. Kontrastreiche Farbpaletten, die nicht selten an „Blade Runner 2049“ erinnern, sind schlicht und ergreifend eine Symphonie für die Netzhaut und je mehr der Film voranschreitet, umso mehr wird man in die Farb- und Gefühlswelten hineingezogen, die zwar nicht so differenziert abgebildet werden wie erhofft, sich aber auf das Wesentliche besinnen und so eindrucksvoll aufzeigen, dass emotionale Nähe gar aus großer Entfernung erwachsen kann.

Fazit:
„Ad Astra“ ist Kino für Herz und Augen; statt sich an bereits auserzählen Stoffen anzubiedern, bestreitet Grays Weltraumszenario neue Wege und pendelt konstant zwischen steriler Schönheit und tonnenschwerer Tragik. Gesegnet mit einem perfekt ausbalanciertem Erzähltempo manövriert sich das Werk mühelos in die Gedanken derer, die sich der Thematik öffnen können. Hätte der Film auf die gezwungen offensichtlichen Selbstgespräche im Off verzichtet, hätte er sogar im Rennen gegen „Aufbruch zum Mond“ antreten können – so bleibt er eine Raketenlänge hinter Damien Chazelles Epos zurück.
Bewertung:
8 von 10 Punkten
Bilder: ©Twentieth Century Fox
Dieses aus dem Off Geplappere ging mir auch etwas gegen den Strich. Ansonsten kann ich da ungeniert zustimmen. Der Film ist durchaus ein Ansehen wert.