von Mara Hollenstein-Tirk

Den Vertretern des Krimi/Thrillergenres ist, so wie in fast allen Genres, meist eines gemein: ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit. Es gibt eine Hauptfigur, wenigstens einen Mord, ein paar dunkle Geheimnisse und eine äußerst bedrohliche Grundstimmung – das Ganze noch mit stimmungsvoller Musik unterlegt und fertig ist der Gänsehautmix. Diese Konventionen haben einerseits ihre Vorteile, immerhin kann man so, wenn einem gerade der Sinn danach steht, ziemlich bedenkenlos auch bisher unbekannten Titeln eine Chance geben, da man ja weiß, was einen so ungefähr erwartet, andererseits sind natürlich auch die Nachteile nicht von der Hand zu weisen, denn nach dem x-ten Thriller in ähnlichem Gewand, kann es dann auch mal etwas langweilig werden.

„Das Schweigen des Sumpfes“, eine neue spanische Netflix-Produktion, bei der Marc Vigil auf dem Regiestuhl Platz nehmen durfte, bietet vordergründig auch all die oben beschriebenen Elemente, streift allerdings, dank seiner genreuntypischen Inszenierung, jegliches Korsett mit Leichtigkeit ab. Die Handlung lässt sich dabei nur unzureichend beschreiben, klingt sie doch zu Papier gebracht, mit dem Gesehenen im Hinterkopf, stets notdürftig. Sollte man sie dennoch rudimentär zusammenfassen wollen, müsste man wohl sagen, dass es um einen Autor geht, der bei den Recherchen zu seinem neuesten Buch aufgrund einer unbedachten Tat in Konflikt mit der spanischen Mafia gerät. Wie gesagt, dies ist lediglich ein grober Umriss, der allerdings auch nicht ausführender sein sollte, denn jede weitere Information könnte bereits eine zuviel sein, und letztlich ist es auch nicht die Geschichte an und für sich, die diesen Film so außergewöhnlich macht, sondern vielmehr die Art und Weise, wie sie erzählt wird.

So gibt es sehr viele lange Einstellungen. Ruhige Einstellungen. Einstellungen, in denen vordergründig so gut wie nichts passiert, man als Zuschauer also gefordert ist wirklich hinzuschauen oder Szenen auch einfach einmal auf sich wirken zu lassen. Auf der anderen Seite gibt es dann sehr selten auch regelrecht eruptive Augenblicke, in denen sich die angestaute Spannung plötzlich in brutaler Gewalt entlädt. Der unglaublich sparsame, dafür aber umso pointiertere Einsatz des Soundtracks erzeugt noch zusätzlich das Gefühl, dass man hier gerade einen Film mit einer ganz eigenen Handschrift bewundern darf. Ein bisschen Neo Noir, gepaart mit einer Prise Arthouse, garniert mit einem finalen Schuss mindfuck. Bei dieser Beschreibung steht eines auf jeden Fall fest: der Erfolg eines solchen Werkes steht und fällt mit seinen Darstellern.

Zum Glück konnte man sich bei Hauptdarsteller Pedro Alonso einer guten Leistung nahezu sicher sein, da er bereits in der hervorragenden Serie „Haus des Geldes“ als Berlin unter Beweis stellen konnte, dass er sein Handwerk wirklich versteht. Seine Performance ist es, die einem in vielen Szenen das Blut in den Adern gefrieren, andererseits aber dann auch mitfühlen lässt – und das, obwohl man so gut wie nichts Konkretes über den Protagonisten erfährt, nicht einmal seinen Namen. Doch nicht nur Alonso macht seine Sache wirklich ausgezeichnet, auch die Nebenrollen bleiben einem, dank starker Besetzung, nachhaltig im Gedächtnis. 

Fazit

Alles in allem ist „Das Schweigen des Sumpfes“ nicht der nächste typische 0815-Krimi/Thriller und auch sicher nichts für jedermann geworden, denn die eigenwillige Erzählstruktur, gepaart mit dem noch eigenwilligeren Erzähltempo, fordern des Zuschauers ungeteilte Aufmerksamkeit und den unbedingten Willen, sich auf den Film einzulassen. Wem das gelingt, der wird mit einem außergewöhnlichen, bildsprachlich sehr ansprechenden Filmerlebnis belohnt, bei dem die zweite Sichtung, alleine aufgrund der finalen Szene, quasi vorprogrammiert ist.  

Bewertung

8 von 10 Punkten

Bilder: ©Netflix