„Der Weltraum, unendliche Weiten…“ – während bei Fans nun sofort die Erinnerung an Töne eines ziemlich schräg klingenden Theremins hochkommen, werden sogar Nicht-Eingeweihte irgendwo in den Windungen ihren Gehirns eine Verknüpfung zu diesen Worten abgespeichert haben, denn eines steht fest: Star Trek hat es von einer Science-Fiction-Serie der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zu einem weltweiten popkulturellen Phänomen gebracht. Inzwischen umfasst das Franchise neben 9 Serien auch 13 Spielfilme und hat sich eine große Fangemeinde über die Jahrzehnte hinweg erarbeiten und sichern können.

von Mara Hollenstein-Tirk

Mit das Beste, was dieses Franchise hervorgebracht hat, war die zweite Serie mit dem Namen „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“, die in den späten 80ern und frühen 90ern produziert wurde. Für den großen Erfolg dieser Serie mitverantwortlich zeichnete der neue Captain der Enterprise Jean-Luc Picard, genial verkörpert von Patrick Stewart. Kein Wunder also, dass Amazon es für eine kluge Idee hielt den Tee-Liebhaber für ein letztes (?) Abenteuer aus dem Ruhestand zu holen. „Picard“ heißt die neueste Serie im Franchise-Kosmos, wobei man bereits mit dem Namen klarstellt, dass es sich nicht um eine Rückkehr an Bord der Enterprise handelt, sondern es viel mehr darum geht, einem der ikonischsten Charaktere der Seriengeschichte ein Denkmal zu setzen. So scheint es denn auch logisch, dass Cameo-Auftritte von liebgewonnen Charakteren zwar durchaus vorkommen, die im Laufe der Folgen zusammengestellte Crew aber aus fremden Gesichtern besteht.

Und auch wenn am Ende der 10 Episoden umspannenden Staffel nicht jeder dieser neuen Charaktere die gleiche Zuwendung durch das Drehbuch erfahren hat, wodurch manche von ihnen im besten Falle mysteriös, im schlechtesten unausgereift wirken, muss man doch sagen, dass die Autoren im Großen und Ganzen einen guten Job bei deren Einführung gemacht haben. Einen guten Job haben die Autoren aber auch bei der Geschichte an und für sich gemacht. Diese spiegelt, wie für das Franchise bereits seit Anbeginn üblich, sehr gut aktuelle gesellschaftliche Problematiken wieder.

Während in der Originalserie noch der Konflikt Föderation gegen Klingonen frappierend an den kalten Krieg der USA gegen die damalige UDSSR erinnert, bekam es die Crew der nächsten Generation dann mit einer neuen, technologisch weit überlegenen Rasse zu tun und die Handels-Scharmützel bei „Deep Space Nine“ scheinen auch heute noch brandaktuell. „Picard“ befasst sich, der momentanen Situation Rechnung tragend, sowohl mit Xenophobie, als auch mit einer Flüchtlingskrise und deren Auswirkungen auf die Föderation und die friedliche Koexistenz zwischen den unterschiedlichen Spezies. Dazu noch ein wenig religiöser Fanatismus, die Prophezeiung vom Untergang allen Lebens und festgefahrene, äußerst konträre Meinungen und fertig sind die erzählerischen Eckpfeiler einer Geschichte, die sich auf der einen Seite wunderbar vertraut anfühlt, auf der anderen Seite aber etwas braucht, um dieses Gefühl zu erzeugen. Gerade die ersten Folgen haben zwar bereits einiges an Action zu bieten, was, bedenkt man das bereits fortgeschrittene Alter des Hauptdarstellers, durchaus beachtlich ist, aber trotzdem will noch kein wirkliches Trekkie-Feeling aufkommen.

Das liegt wahrscheinlich zu einem großen Teil daran, dass die ersten Folgen zunächst einiges an Exposition abhandeln müssen, damit man einerseits versteht, in welcher Situation sich sowohl Picard als auch die Sternenflotte zur Zeit befinden, andererseits werden diese Folgen auch dringend benötigt, um die doch recht komplexen Verstrickungen verständlich aufzubauen, um sie in weiterer Folge Stück für Stück sinnhaft auflösen zu können. Wenn diese Einführung dann aber einmal abgehakt ist, nimmt nicht nur die Handlung einiges an Fahrt auf, sondern das ist auch der Augenblick, wenn einem jeden Fan warm ums Herz wird, weil er sich erneut mit Jean-Luc Picard und seiner Crew einem neuen Abenteuer stellen darf.

Fazit

Alles in allem bewegt sich „Picard“ nicht unbedingt in den gewohnten Bahnen, sondern versucht dem bekannten Konzept einen neuen Stempel zu verpassen. Das gelingt dank einer interessanten Handlung, einem famos aufspielenden Patrick Stewart und der üblichen Portion Gesellschaftskritik ganz gut. So ergibt sich eine schöne Mischung aus Fanservice (im guten Sinne) und inszenatorischer Frische, die gut ankommt und durchaus Lust auf mehr macht. Als Einstieg in das Franchise ist die Serie, trotz eigenständiger Geschichte, allerdings nicht zu empfehlen, da gerade auch das gefühlvoll inszenierte Wiedersehen einiger ehemaliger Seriencharaktere mit zu den Highlights der Serie zählt.   

Bewertung

8 von 10 Punkten

Bilder: CBS / Amazon Prime Video