von Cliff Brockerhoff

Monos – Zwischen Himmel und Hölle. Selten hat der Beisatz eines Filmtitels den Nagel so auf den Kopf getroffen wie beim Drama von Alexis Dos Santos und Alejandro Landes, porträtiert das Werk doch eine Gruppe ungestümer und von der Gesellschaft vernachlässigter Jugendlicher, eingefangen in den malerischen aber nicht weniger ungezähmten Untiefen des kolumbianischen Hochgebirges. Inmitten dichter Baumketten erlebt der Zuschauer eine Episode mitten aus dem Dschungel; ja, mitten aus einem Leben, das für das westeuropäische Auge kaum vorstellbar ist.

Die Handlung lässt sich dabei nur schwer fassen. Grundsätzlich begleitet der Film die Geschehnisse rund um die Protagonisten; ihrem Leben voller Gewalt, dem Erwachsenwerden, dem sich-behaupten-müssen – mittendrin: Sara Watson, eine US-amerikanische Ingenieurin, die scheinbar von der Bande entführt wurde. Wie es dazu kam, wozu das Ganze dienen soll oder welche sonstigen Beweggründe der Entwicklung zugrunde liegen? Schleierhaft. Der Zuschauer wird dem Treiben von der ersten Sekunde an ausgesetzt und sucht nach logischen Ankerpunkten, die sich, unisono zur fehlenden Orientierung im dicht bewachsenen Terrain rund um den Amazonas, nur schwer ausfindig machen lassen.

Während andere Filme auf die emotionale Bindung zu den dargestellten Charakteren setzen, bleibt dieser Wunsch bei „Monos“ verwehrt. Es gibt keine klare Positionierung von Gut und Böse, obwohl die weibliche Geisel rein objektiv in die Rolle des Opfers passt, durch die von Konventionen losgelöste Erzählstruktur ist aber auch ihre Person nur geringfügig greifbar. Wo kritische Stimmen dem Film eine fehlende Charaktertiefe vorwerfen, liegt in Wahrheit die ganz große Stärke des Films. Es wird nicht versucht politische Sachverhalte zu erklären, sie sind einfach da. Genau wie der Krieg einfach existiert, der sich zwar oft mit dem Streben nach Macht oder Reichtum erklären lässt, den schutzlos ausgelieferten Beteiligten aber trotzdem als grausam und unlogisch erscheint. Die gewählte Herangehensweise erinnert somit stark an Christopher Nolan, der sich diesem Stilmittel bei „Dunkirk“ bediente, als er eine Geschichte ohne Helden schrieb um zu verdeutlichen, wie gesichts- und erbarmungslos Krieg ist.

Umso schlüssiger ist es dann, dass es gerade den Heranwachsenden schwer fällt sich innerhalb dieser Extremsituation zurechtzufinden. Ihre von Gewalt geprägte Gruppe weist keinerlei innerliche Struktur auf, was immer wieder zu rohen Auseinandersetzungen führt. Umso erstaunlicher, dass der Film trotz allem versucht auch eine harmonische Note spielen zu lassen. Diese ertönt in der dichten Soundkulisse meist leise und zurückhaltend, wird alsbald von Schüssen oder Schreien niedergerungen, aber sie atmet. Diese Vermengung der Extreme führt zu surreal wirkenden Sequenzen, die auf den ersten Blick nicht in den Gesamtkontext passen mögen, bei näherem Hinsehen allerdings eine in schwermütige Schönheit getränkte Hoffnung offenbaren, die viele im Herzen tragen. Das sorgt, gerade in Kombination mit dem fantastischen Soundtrack für absolute Gänsehaut.

Und so bahnt sich der Film ungestüm den Weg durch die Handlung, transportiert seine Stimmung ohne selbsterklärend zu sein und taumelt gegen Ende nur noch vage von einer Szene zur nächsten. Die dabei entstehende Immersion lässt mangelnde Charakterisierung in Schall und Rauch aufgehen, legt seine blutbespritzten Hände um den verschwitzten Hals seiner Zuschauer und lässt langsam die Luft aus den Kehlen entweichen. Kehlen, die die feuchte Luft des Waldes beinahe schmecken können und unterstützt werden von Augen, die sich innerhalb kraftvoll aufgeladener Bilder nach einem Happy-End sehnen. Einem Happy-End, das von Anfang an ausgeschlossen war. Krieg kennt keine Struktur, und schon gar keinen glücklichen Ausgang. So hinterlässt „Monos“ seine Betrachter ohne spürbares Ergebnis, schließt seine episodenhafte Erzählung lose ab und ist letztlich mehr Kriegsfilm, als die offensichtlich dargebotene visuelle Ebene es glauben lassen mag.

Fazit

Was William Golding einst in „Der Herr der Fliegen“ präsentierte, erwacht in „Monos“ neu zum Leben. Zwischen Ästhetik und Anspruch erzählt der Film beinahe coming-of-age artig von nicht näher definierten kriegsähnlichen Zuständen und davon, wie Menschen ebenjenen Umständen ausgeliefert sind. Ohne subjektiven Anhaltspunkt wandelt der Film auf den Pfaden von „Apocalypse Now“ und kreiert einen fiebrigen Albtraum, der weniger physisch als vielmehr psychisch auf seine Zuschauer einschlägt. Wunderschöne, naturbelassene Bilder umrahmen eine Handlung, die nicht nachvollziehbar, aber dafür umso beängstigender ist. Ein technisch himmlisch versiertes Machtwerk, das höllisch wehtut.

Bewertung

8 von 10 Punkten

Bilder: ©trigon-film.org