Eine junge Liebe, ein altes abgelegenes Anwesen, eine erst kürzlich unter mysteriösen Umständen verstorbene Hausherrin – wer sich diese kurzen Anhaltspunkte durchliest, der weiß, er darf sich auf Gänsehautfeeling gefasst machen. Immerhin verstecken sich hier die wichtigsten Zutaten zu einem klassischen Schauerroman, jenem literarischen Genre, welchem auch der Roman „Rebecca“ von Daphne du Maurier aus dem Jahr 1938 zugerechnet wird. Zwar war die Hochzeit der Schauerliteratur zu dieser Zeit eigentlich bereits vorüber, und in Mauriers Werk lassen sich auch Anklänge einer Coming-of-Age Geschichte entdecken, nichtsdestotrotz bietet das Buch durch die oben bereits erwähnten Elemente genügend Potenzial, einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

von Mara Hollenstein-Tirk

Kein Wunder also, dass sich auch der Meister des Suspense höchstpersönlich, Alfred Hitchcock, 1940 an eine Verfilmung des Stoffs gemacht hat – und mit dieser immerhin (unter anderem) den Oscar für den besten Film absahnen konnte. Große Fußstapfen also, in die Regisseur Ben Wheatley da hineinzutreten versucht. Leider bleibt es auch bei einem Versuch, denn so wirklich vermag er es nicht, mit seiner Version von „Rebecca“ in den Bann zu ziehen. Das liegt einerseits daran, dass die Erwartungshaltungen insofern unterwandert werden, als der Fokus in diesem Fall eindeutig auf der Liebesgeschichte liegt. Dies wird gerade in der ersten Hälfte des Film besonders deutlich. Das Aufeinandertreffen von Witwer und gutaussehender, aber mittelloser „Gesellschafterin“ in einem traumhaften Hotel in Monte Carlo ist zwar wunderbar leichtfüßig inszeniert und mit malerischen Bildern unterlegt, dauert aber insgesamt einfach zu lange. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Wheatley daran gelegen war, die aufkeimende Liebe etwas genauer zu beleuchten, damit der Zuschauer besser damit klar kommt, dass eine Frau einfach so Hals über Kopf einen quasi Fremden heiratet. Eine Intention, die sich bei genauerer Betrachtung als löblich, aber unnötig herausstellt, ist es doch durchaus ein bekanntes Sujet, dass in Filmen, gerade auf einer emotionalen Ebene, alles etwas schneller und intensiver vonstatten gehen muss, will man nicht am Erzähltempo verzweifeln. Eine halbwegs realistische Darstellung gelingt sowieso nur in den seltensten Fällen, weshalb sich Filmfans weltweit auch damit abgefunden haben, dass es sich hier um ein Beispiel der oft erwähnten „suspension of disbelief“ handelt. Der Zuschauer weiß, dass die Filmschaffenden an manche, durch das Medium auferlegte Einschränkungen gebunden sind, soll am Ende ein unterhaltsamer Spielfilm herauskommen, weshalb sie gewillt sind, einige unrealistischere Entwicklungen nicht weiter zu hinterfragen.

Der Regisseur hätte sich also ohne weiteres schneller jenem Teil der Geschichte zuwenden können, der einem im Trailer versprochen wurde: dem Grusel. Doch hätte das wirklich viel gebracht? Denn auch hier, in jenem Bereich, der eigentlich das Highlight darstellen sollte, schwächelt das Gesamtkonstrukt an allen Ecken und Enden. So wird einem viel zu schnell klar, wer im Hintergrund die Fäden zieht, die eigentlichen Schauerelemente, obwohl schön anzuschauen, sind auf ein Minimum reduziert, was einen ständig zu der Frage führt, weshalb die neue Gemahlin eigentlich so schnell anfängt, so intensiv am Rad zu drehen.

Die Auflösung des ganzen Rätsels kommt dann dafür ziemlich plötzlich, wenig überraschend und wird erstaunlich schnell abgefrühstückt. Man merkt also, das „Rebecca“-Remake krankt von Anfang bis Ende schwer an seinem Zeitmanagment. Da sich zu Beginn zu lange auf die Liebesgeschichte konzentriert wird, fehlt hinten hinaus die Zeit, um echten Grusel erzeugen zu können.

Doch was der Film an Balance missen lässt, macht er, zumindest zum Teil, an zwei anderen Fronten wieder wett. Da wären einerseits die wahrlich atemberaubenden Bilder, die sich stets der Situation anpassen und so für einen visuellen Augenschmaus durch und durch sorgen. Und andererseits die Schauspieler und ihre Leistungen: Lily James als zurückhaltendes Mäuschen, das sich im Laufe des Films zur starken Partnerin mausert, Armie Hammer als geheimnisvoller Mann von Welt, der sich erst langsam seiner Angebeteten wahrlich zu öffnen vermag, und Kristin Scott Thomas als gestrenge Haushälterin, deren eigentliche Motive sich erst nach und nach enthüllen, machen einen so phantastischen Job, dass man zu gerne über die Schwächen der Films hinwegsehen würde – es aber am Ende dann doch nicht wirklich kann. Vielleicht würde es helfen, wenn man den Film, anders als der Trailer, als das anpreist, was er eigentlich ist: Eine Mischung aus Liebesgeschichte und Drama, vor atmosphärischer Kulisse, in der die beiden Turteltauben mit einigen Unwägbarkeiten zu kämpfen haben.

Fazit:

Wer auf so etwas Lust hat, kann ohne Frage einen Blick auf „Rebecca“ riskieren, denn von einem solchen Standpunkt aus betrachtet funktioniert der Film sogar ziemlich gut – nur als „Schauerfilm“ will das Ganze eben nicht wirklich funktionieren. Seit 21.10. auf Netflix.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(67/100)

Bild: Netflix