Es gibt sie, diese Geschichten, bei denen einem instinktiv der Gedanke kommt: Das kann doch nicht wirklich passiert sein. Zum Beispiel wenn man erfährt, dass auf einem Feld in England unter einem kleinen Hügel ein vollkommen erhaltenes Bootsgrab entdeckt wurde, welches noch aus der Zeit der Angelsachsen stammt. Und das nur, weil eine wohlhabende Witwe einen einzelnen Mann damit beauftragt hatte, einen genauen Blick auf die Hügel in ihrem Garten zu werfen. Und doch ist es genau diese unglaubliche, wahre Geschichte, die einem Regisseur Simon Stone und Drehbuchautorin Moira Buffini in ihrem Film mit dem treffenden Namen „Die Ausgrabung“ erzählen wollen.

von Mara Hollenstein-Tirk

Auch wenn diese beiden Namen wohl kaum jemandem etwas sagen werden, für Stone war es gar erst die dritte Regiearbeit, lassen einen doch zumindest die Namen der beiden Hauptdarsteller aufhorchen. Denn Netflix, die als Studio hinter dem Projekt stehen, engagierte für die Rolle des etwas verschrobenen, aber durch und durch sympathischen „Ausgräbers“ Ralph Fiennes. Sein Basil Brown, so der Name des wahren „Helden“ dieser Ereignisse, könnte wohl kaum britischer sein: etwas introvertiert, mit einem trockenen Spruch auf den Lippen und dem Herzen am rechten Fleck. Ihm zur Seite steht Carey Mulligan in der Rolle der Gutsbesitzerin Edith Pretty, deren Interesse für Geschichte und Archäologie das Ganze überhaupt erst ins Rollen brachte. Dieser jungen Witwe ist es zu verdanken, dass einer der größten Kunstschätze aus dieser Zeit überhaupt entdeckt wurde. Leider erfreute sich die Dame nicht der besten Gesundheit, was Mulligans Spiel eine schier endloses Zahl an Facetten verleiht, spiegelt sie doch meisterlich den Kampf zwischen einem starken Willen und einem zerbrechlichen Körper wider.

Neben den beiden führenden Performances weiß aber auch der ein oder anderen Nebendarsteller mit seinem Können zu begeistern. So haben die Verantwortlichen mit Archie Barnes einen Kinderschauspieler entdeckt, der trotz seiner jungen Jahre scheinbar schon einiges von seinem Handwerk versteht, und Ken Stott, den meisten wahrscheinlich als Zwerg Balin aus der Hobbit-Trilogie bekannt, sorgt als versnobter Archäologe dann auch für ein paar wirklich gut platzierte Lacher.

Am Ende ist es aber vor allem Fiennes und Mulligan zu verdanken, dass sich der Zuschauer, abseits der unfassbaren Geschichte, auch emotional in den Film involviert, da das Drehbuch hier leider etwas zu wünschen übrig lässt. Denn das, was man über die Charaktere erfährt, hält sich in Grenzen, ein großer Teil scheint stets im Schatten zu bleiben und wären weniger talentierte Schauspieler am Werk, ließe sich dies wohl nicht so gekonnt überspielen.

Eine etwas forciert wirkende Liebesgeschichte unter Nebencharakteren in der zweiten Hälfte stellt einen weiteren kleineren Schönheitsfleck in einem Film dar, der ansonsten als durchaus gelungen und sehenswert bezeichnet werden kann. Gerade die langen Einstellungen, die dem Geschehen genügend Zeit geben, sich zu entfalten, die wundervollen Landschaftsaufnahmen, die pointierten Dialoge, das alles fühlt sich, in einer Filmwelt, die immer mehr von Schnittgewittern dominiert zu sein scheint, erfreulich nach alter Schule an. Zu diesem Empfinden tragen auch Ausstattung, Lichtgestaltung und Szenenbild bei. Alles an diesem Film scheint die Wörter „very british“ geradezu von den Dächern zu schreien – die BBC hätte es wohl nicht besser hinbekommen.

Fazit:

So ist am Ende ein Film herausgekommen, der es ein wenig an der nötigen Charakterisierung fehlen lässt, den Zuschauer deswegen emotional nicht ganz abzuholen vermag, der dafür aber durch seine außergewöhnliche Geschichte, seine ruhige Inszenierung und seine hervorragenden Schauspieler zu begeistern weiß. „Die Ausgrabung“ ist seit 29.1. auf Netflix zu sehen.

Bewertung:

Bewertung: 8 von 10.

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