Ein semi-populäres Meme im Internet besagt: „Religion ist wie ein Penis. Es ist schön eine(n) zu haben, aber wedel‘ damit bitte nicht ungefragt in den Gesichtern anderer herum!“. Zugegebenermaßen eine nicht gerade subtile Verbildlichung einer komplexeren Thematik, doch im Kern trifft diese Aussage ins Schwarze und dient gleichzeitig als Einstimmung auf die nun folgende Kritik zu einem Film, dessen Fokus auf der Glaubenslehre liegt.

von Cliff Brockerhoff

Genauer gesagt auf Maud (beängstigend gut: Morfydd Clark), die eigentlich Katie heißt, in keinster Weise einen geistlichen Ordenstitel innehat, jedoch als Protagonistin im Horror/Drama „Saint Maud“ fungiert. Die eher introvertierte junge Frau hat nach einem tragischen Zwischenfall bei ihrer Arbeitsstätte einige Veränderungen im Leben vorangetrieben. Neben einer neuen Tätigkeit als private Krankenpflegerin hat Maud auch eine neue Passion für sich entdeckt: Die Frömmigkeit, ausgelebt durch eine intensive Verbindung zu Gott, dem Allmächtigen. Doch wie es der Teufel so will, wird aus Passion schnell Obsession, und Mauds eigentlich unschuldige Wandlung vollführt einen fiesen Twist.

Regisseurin Rose Glass wählt in ihrem Langspielfilmdebüt, für das sie ebenso das Drehbuch schrieb, also ein alteingesessenes Schemata, zieht das bekannte Szenario allerdings gehörig auf links und kreiert so durch einen simplen Kniff etwas Neues. In ihrem Werk ist niemand von bösen Dämonen besessen, sondern vom Herrgott höchstselbst. Das Ehepaar Warren kann folglich zu Hause bleiben, denn Maud ist nach bereits erwähntem Karriererückschlag wieder im Einklang mit sich selbst. Doch bereits vom Start weg schwelt etwas Bedrohliches unter der vermeintlich harmonischen Oberfläche. „Saint Maud“ transportiert dies mit dunkler Farbpalette, perfekt unperfekten Bildern und einer leise beginnenden, aber zunehmend dominanteren Soundkulisse. Technisch und inszenatorisch erinnert der britische Spielfilm in seinen besten Momenten an eine modernisierte Mischung aus „Der Exorzist“ und Paul Schraders „First Reformed“, der anno 2018 einen ähnlichen Zugang wählte (und in unseren Jahrescharts einen mehr als respektablen dritten Platz belegen konnte).

Die dabei erzählte Story ist im Grunde simpel gehalten und verlangt weder religiöses Hintergrundwissen, noch das absolute Höchstmaß an Aufmerksamkeit. Der Film präsentiert sich geradlinig und versteckt keine kryptisch anmutenden Details im Schatten, kommt viel eher als stringente Erzählung daher, die allein aus ihren gerade einmal 84 Minuten eine gewisse Kurzweiligkeit zieht. Glass macht sich hierbei die inhaltliche Tiefe der Religion per se zu Eigen, bricht abendfüllende Ebenen immer wieder gekonnt herunter und lässt die Zuschauer via vertonter Gedanken der Hauptakteurin am Gedankenkonstrukt teilhaben. Veränderung, Vergebung, Verdammnis – oder doch etwa Errettung und Erlösung? Lange scheint der Ausgang schwer vorauszusagen, auch wenn der Fortlauf in eine immer präzisere Richtung ausschlägt.

Besonders interessant ist dabei der wertfrei vorgetragene Kontrast zwischen Maud und Amanda (Jennifer Ehle), der zweiten Akteurin, die die Rolle einer sterbenskranken und pflegebedürftigen Lebefrau einnimmt, die unter Einfluss diverser Genussmittel versucht ihren Lebensabend erträglich zu gestalten. Nur allzu verständlich, doch Maud und ihrem Gott sind Alkohol, Drogen oder homosexuelle Liebschaften natürlich ein Dorn im Auge. Spätestens wenn die Lebensweisen offen aufeinanderprallen, wandelt sich nicht nur das Verhältnis zwischen den beiden Frauen, sondern vor allem die gesamte Stimmungslage des Films. Oftmals kranken entgegenstellte Extreme an fehlender Homogenität und berauben die Story im Zuge dessen der Authentizität, da „Saint Maud“ aber beiden Polen genügend Aufmerksamkeit schenkt, verbleiben die Seiten nachvollziehbar und entziehen sich eben nicht der Glaubwürdigkeit.

Fazit

In ihrem Regiedebüt visualisiert Rose Glass religiösen Fanatismus auf persönlicher Ebene. Frei von Glaubenskriegen oder politischen Beweggründen beleuchtet „Saint Maud“ die dunkle Seite der Konfession und spart dabei nicht an Vehemenz, die allerdings weniger grafisch als vielmehr mental aufwühlend daherkommt und förmlich unter die Haut der Zuschauer kriecht. Der stark gespielte Genrehybrid überzeugt mit intimer Kameraarbeit, gruseligem Score und einem Finale, das sich in die Erinnerung brennt. Ein europäisches Start- oder Verröffentlichungsdatum steht aktuell noch aus, wird aber an dieser Stelle ergänzt.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(76/100)

Bilder: ©A24

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