„Du steckst voller Überraschungen“. Was für die Eheleute, die blind geheiratet haben und sich erst im Zusammenleben nach und nach kennenlernen, noch zutreffen mag, kann man von dem neuen Werk der Regisseurin Ildikó Enyedi jedoch nicht behaupten. Basierend auf dem gleichnamigen Werk von Milán Füst, das 1942 veröffentlicht wurde, ist „Die Geschichte meiner Frau“ eine ausladende Adaption geworden, die einem mächtig viel Geduld abfordert und einen mit dem schweren Pragmatismus fast in die Verzweiflung treibt.

von Madeleine Eger

Jakob (Gijs Naber) ist Schiffskapitän und fühlt sich auf dem Wasser in seiner klar strukturierten Welt am wohlsten. Als ihn jedoch die Seemannskrankheit plagt, wird ihm geraten zu heiraten. Das solle helfen. Kurz entschlossen schließt er mit einem seiner Freunde eine Wette ab: Er heiratet die nächste Frau die das Restaurant betritt. Wie es der Zufall will ist das Lizzy ( Lea Seydoux). Die junge Frau willigt ein und zieht mit Jakob zusammen. Nach und nach entwickelt sich zwischen den beiden sowohl Zuneigung und Leidenschaft als auch Misstrauen und Eifersucht. Eine komplizierte Beziehung entsteht, die für beide Parteien mehr und mehr eine Probe auf Zeit wird.

Während sich schlafende Wale im blau glitzernden Nachtmeer wiegen, eröffnet der Seemann Jakob Störr uns seine Gedanken. Was würde er machen, wenn er einen Sohn hätte? Was würde er ihm sagen, was würde er über das Meer, seine Arbeit erzählen? Fast mystisch entwickelt die Szenerie eine nahezu philosophische Bindung zwischen dem Erzähler und den Meeressäugern, die dem unberechenbaren Ozeanen genauso ausgesetzt sind wie der Kapitän auf seinen Überfahrten. Mit ruhigen und statisch wirkenden, aber dennoch fantastisch komponierten Bildern vom Schiffsdeck kostet die Regisseurin die Ruhe vor dem Sturm und die von Jakob angesprochene Monotonie regelrecht aus. Visuell sind die ersten Bilder, die über die Leinwand gleiten, eine absolute Augenweide.

Genauso wie die darauf folgenden Sets des Films, die das Paris und Hamburg der 20-Jahre zum Leben erwecken. Opulent ausgestattet wird allerdings ein düsteres Appartement, das mit schweren dunklen Holzmöbeln bestückt ist, zur Versinnbildlichung des Problems, mit dem „Die Geschichte meiner Frau“ am stärksten zu kämpfen hat. Denn behäbig, schwer und träge kommt das Drama daher, das sich mit fast 3 Stunden Laufzeit zusehends selbst überschätzt und seine Charaktere in den Schatten drängt.

So verbringt die Adaption entgegen dem Titel tatsächlich den Großteil der Zeit einfach damit, dem schwerfälligen Kapitän zu folgen, dessen emotionale Ausbrüche so minimal in Erscheinung treten, dass diese oft kaum auszumachen sind. Mit stoischer und monotoner Rationalität begegnet er Lizzy, die noch versucht ist, jede Gelegenheit ausnutzen, um ihn (letztendlich erfolglos) aus der Reserve zu locken. Jakob macht es einem wahrlich nicht leicht, sich ihm anzunähern oder gar zu verstehen, was in ihm vorgeht und welche Ängste ihn in Hinblick auf das Zusammenleben und seine Ehe plagen. Lediglich flüchtige Momente, in denen sich die Blicke des Paares indirekt über Spiegel treffen und von der Regisseurin sorgfältig eingefangen werden, lassen das soziale Verlorensein von Jakob und dessen zündelnde Eifersucht zumindest in Ansätzen in Erscheinung treten. Die Irritation, die der Mann empfindet, als ihn seine Frau einfach im Restaurant für eine Freundin sitzen lässt und sich später sogar noch mit einem scheinbaren neuen Verehrer unterhält, ist zumindest dann auch einmal für uns präsent und nachvollziehbar. Diese kurzen wenigen Szenen versuchen dabei nicht nur Jakobs Charakter zu ergründen, sondern zugleich sehr zaghaft und langsam ein Mysterium rund um seine Frau zu entblättern. Aufgrund der einseitigen Darstellung von Lizzy bleibt das hier vorhandene Potenzial aber weitestgehend ungenutzt und aufkommendes Interesse an der Figur wird im Keim erstickt, um sich sogleich wieder Jakob zuzuwenden. Dabei hätte die Lebhaftigkeit und das Selbstbewusstsein der jungen Frau eine brodelnde Dynamik innerhalb der verschiedenen Kapitel entwickeln können, wenn man der Figur, ihren Beweggründen und ihren Gefühlen deutlich mehr Raum zugestanden hätte.

So hangelt sich der Film lediglich mit merklich leeren Bildern und wenigen, vielfach hölzernen Dialogen durch seine ereignisarme Szenerie und bläht sich unnötig auf nahezu drei Stunden auf, um am Ende enttäuschend und ohne merklichen Höhepunkt in sich zusammenzufallen. Trotz einiger weniger Augenblicke, die noch an Enyedis märchenhaftes und fast magisches Werk „On Body and Soul“ erinnern und eine gewisse philosophische Tiefe erahnen lassen, reicht der Historienfilm nie auch nur ansatzweise an die erzählerische Qualität des damaligen Berlinale-Gewinners heran.

Fazit

„Die Geschichte meiner Frau“ bietet über eine deutlich zu lang geratene Laufzeit Charaktere, die zu unnahbar, unpräzise und einseitig sind, eine üppige Ausstattung, die über einen leeren Kern hinwegzutäuschen versucht und poetische Bilder, die kaum im Zusammenhang mit der holprigen und merklich ermüdenden Erzählstruktur stehen. Dem massigen Drama fehlt es schlichtweg an erzählerischer Leichtigkeit und interessanten Figuren, die den Film auf emotionaler Ebene erfahrbar machen könnten. „Die Geschichte meiner Frau“ zeigt sich letztendlich als Werk, das weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Seit 5.11. im Kino.

Bewertung

Bewertung: 4 von 10.

Bild: © 2021 ALAMODE FILMDISTRIBUTION oHG.