Es hätte alles so schön sein können. Als Bjorn und Louise im Urlaub ein anderes Pärchen kennenlernen stimmt die Chemie von Anfang an. In von Wein und gutem Essen beseelter Stimmung freunden sich die Vier an, und auch Tochter Agnes hat in Abel, dem Sohn von Patrick und Karen, einen gleichaltrigen Spielgefährten. Beinahe beiläufig wird darüber sinniert, dass man sich nach dem Urlaub ja sogar mal besuchen könnte. Als dann irgendwann eine holländische Postkarte in Dänemark eintrudelt, ist es besonders Bjorns Anliegen dem Alltagstrott zu entkommen und die Reise tatsächlich anzutreten.
von Cliff Lina
Gesagt, getan – und so machen sich die Drei kurzerhand auf den Weg in die niederländische Natur, wo sie herzlich von ihren Gastgebern empfangen werden. Doch irgendwas scheint dieses Mal anders zu sein. Nicht nur, dass sie von Abels kurioser Krankheit erfahren, auch Patrick und Karen benehmen sich zunehmend merkwürdig, lassen jedwedes Distanzgefühl vermissen und offenbaren nach und nach ihre Eigenarten, von denen sich die Gäste sichtlich gestört fühlen. Aus Höflichkeit und Konfliktscheu werden die Probleme allerdings totgeschwiegen. Ein böser Fehler wie sich alsbald zeigen wird.

„Speak no evil“ beginnt im Endeffekt als dialoglastige Mischung aus „Call me by your name“ und „Der Gott des Gemetzels“, überschattet werden die Urlaubsimpressionen aus dem schönen Italien jedoch vom Start weg von außergewöhnlich unheilschwangerer Musik, die so gar nicht zu den sonnendurchtränkten Bildern der Toskana passen möchte. Regisseur Christian Tafdrup, der im Übrigen auch für das Drehbuch mitverantwortlich ist, deutet schon dort an wohin er die Atmosphäre fortan tragen möchte. Dies gelingt ihm erstaunlich gut, was vor allem den authentischen Schauspielleistungen geschuldet ist. Als Zuschauer ist man sich lange Zeit nicht sicher ob die Fremdscham-Momente tatsächlich nur einer gewissen Sprachbarriere geschuldet sind oder ob es möglicherweise einfach daran liegt, dass beide Paare ihr Leben anders definieren und die jeweiligen Charaktereigenschaften unvereinbar sind. Spätestens als der Fokus immer mehr als den Umgang mit den Kindern gelegt wird, beschreitet „Speak no evil“ genau den Weg, der im schlimmsten Falle zu befürchten war.
An dieser Stelle sei ausdrücklich davor gewarnt diesen Film blauäugig anzugehen. Ja, Vorschusslorbeeren sind immer so eine Sache und mittlerweile wirbt jeder dritte Film damit irgendwelche Grenzen zu sprengen oder der beste, härteste und blutigste Film seit Menschengedenken zu sein, aber es gibt eben auch noch die Werke, die auf leisen Sohlen daherkommen, einen in trügerische Sicherheit wiegen, nur um dir dann unverhohlen und mit voller Wucht in die Magengegend zu treten. Genau dieses Szenario zeichnet sich ab und die Mischung aus naiven, weil friedliebenden Charakteren und dem bitterbösen Kontrapart lässt einen stellenweise verzweifeln. Tafdrup genießt es seine sozialkritischen Momente vollends auszureizen, während man als Betrachter dem drohenden Unheil Ausdruck verleihen und die Figuren wachrütteln möchte. Doch das Drehbuch verbittet sich dies. Stattdessen bewegt sich „Speak no evil“ im letzten Akt am Rande des torture porns, erstickt genüsslich jedwede Hoffnung und lässt seine Zuschauerschaft ohnmächtig zurück, auch wenn die sehr zweckdienliche und wenig logische Herangehensweise den Gesamteindruck trübt.

Fazit
Die Bedrohlichkeit der anfänglichen Soundkulisse bekommt „Speak no evil“ nicht transportiert, denn der Horror ist hier nicht das Genre. Vielmehr ist es die tonnenschwere Thematik, bei der der Film moralische Grenzen mit schelmischem Grinsen übertritt, das Unaussprechliche wagt und so im Fortlauf immer mehr zur verstörenden, weil unausweichlichen tour-de-force heranwächst. Insgesamt etwas zu zäh, dafür aber mitunter unerträglich schonungslos und unter der Oberfläche ein Lehrstück zwischenmenschlicher Absurdität. Ein Kopfstoß mit Anlauf und absolut nichts für schwache Nerven! Ein Kinostart ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht terminiert.
Bewertung
(73/100)
Bilder: ©Plaion Pictures