Biopics haben eine schwierige Aufgabe zu erfüllen. Es reicht nicht aus, das Leben einer berühmten Person authentisch wiederzugeben. Viel wichtiger ist, dass die realen Ereignisse in eine ansprechende narrative Form gebracht werden. Manche Biopics legen den Fokus daher nur auf einen kleinen Lebensabschnitt einer Person. Andere greifen einen thematischen Aspekt aus dem Leben heraus und verfolgen diesen durch die Jahre. Und dann gibt es noch jene Filme, die sich checklistenartig durch die vermeintlichen Best-Ofs arbeiten und auf’s Beste hoffen.
von Paul Kunz
I Wanna Dance With Somebody möchte nun also Gesangslegende Whitney Houston ein filmisches Denkmal setzen. Mit Regisseurin Kasi Lemmons (Talk To Me, Harriet) und Drehbuchautor Anthony McCarten (The Theory of Everything, Darkest Hour, Bohemian Rhapsody) sind dafür auch gleich zwei Biopic-Profis am Werk. Sie erzählen von Whitney Houston (verkörpert von Naomie Ackie) als Frau auf der Suche nach einem zu Hause. Doch egal ob im Elternhaus, bei ihrer Assistentin und Geliebten Robyn Crawford (Nafessa Williams) oder beim unzuverlässigen Ehemann Bobby Brown (Ashton Sanders) – fündig wird sie nicht. Denn die eigene Marke steht immerzu im Weg.
Das ist alles Standard im Biopic-Format für große Musiker:innen, wo immerzu das in der Jugend erkannte Talent zum kometenhaften Aufstieg führt und schließlich im drogenbedingten Absturz endet. I Wanna Dance With Somebody lässt allerdings auch aktuelle Themen und Konflikte anklingen. So ist Whitney gezwungen die Beziehung zu ihrer queeren Partnerin Robyn zu beenden, um die eigene Marke zu schützen und auch religiös verschuldete Gewissensbisse zu stillen. Das ist emotional packend, insbesondere auch aufgrund der großartigen Chemie zwischen den beiden Darstellerinnen. Ebenfalls spannend ist Whitneys Konfrontation mit Vorwürfen, ihre Musik biedere sich bei einem weißen Massenpublikum an und sei nicht schwarz genug. Hier eröffnet sich ein nach wie vor aktueller identitätspolitischer Diskurs.
Weil das Biopic es sich aber zur Aufgabe macht Whitney Houstons gesamte Karrierelaufbahn innerhalb der Zwei-Einhalb-Stunden-Marke zusammenzufassen, bleibt nie genug Zeit, um Inhalte zu befragen. Sie werden zu biografischen Stationen degradiert und der Film hastet pflichtbewusst von einer zur nächsten. Doch dieses Vorgehen fühlt sich nicht nur unangenehm gehetzt an, es begräbt auch jeden erzählerischen roten Faden.
Infolgedessen bleibt Whitney als Figur äußerst blass. I Wanna Dance With Somebody versichert zwar, dass hinter der Marke Whitney Houston ein weitaus komplexerer Mensch steckt. Doch der Film schafft es nicht, diesen Menschen greifbar werden zu lassen. Naomie Ackie spielt Whitney zwar stets glaubhaft und höchst sympathisch, ist aber an ein Drehbuch gebunden, das ihr zwar ein starkes Auftreten, aber kaum Handlungsmacht zugesteht. Sie lässt sich passiv durch die Szenen treiben, die der Film so substanzlos aneinanderreiht. Etwas mehr Profil kriegen Stanley Tucci als Musikproduzent Clive Davis und Tamara Tunie als Whitneys Mutter Cissy Houston.
Wie aber steht es eigentlich um die Sache, die Whitney auszeichnet: ihre Stimme? Für die Gesangsszenen wurden richtigerweise die Originalaufnahmen verwendet. Doch insgesamt kommt die Musik zu kurz. Zu sehen und zu hören sind ein paar Auftritte. Viel freudvoller aber sind die viel zu seltenen Einblicke in die Arbeit einer Vokalistin: Wenn eine junge Whitney von der Mutter ermahnt wird, sie soll sich nicht in Riffs und Runs verlieren, ehe sie die Melodie richtig gelernt hat. Oder wenn Whitney eine stimmlich anspruchsvolle Nummer bespricht, die direkt vor einer herausfordernden Modulation wenig Atempause zulässt.
Fazit
Und wenig Atempause lässt auch I Wanna Dance With Somebody. Ein charmanter Cast, eine Handvoll interessanter Konflikte und die selbstverständlich tolle Musik können kurzzeitig unterhalten, sich in einer endlos gehetzten Handlung aber nie ordentlich entfalten. Über Privatleben, Karriere und Kunst der Pop-Legende Whitney Houston wird viel zu breitflächig hinwegerzählt und damit bleibt diese Filmbiografie eine unter vielen.
Bewertung
(44/100)
Bild: 2021 CTMG, Inc. / Sony Pictures