Für die namensgebende Mare hat das Leben in ihrer Heimatstadt zwei Seiten. Einerseits haftet der Polizistin durch eine Errungenschaft in ihrer Jugend immer noch ein ikonischer Status an, andererseits hat die Bekanntheit aber auch zur Folge, dass sie von sämtlichen Einwohnern für jede Lappalie persönlich heranzitiert wird. Da gleichzeitig ein Vermisstenfall seit einem Jahr ungelöst bleibt, wächst der Unmut und kanalisiert sich in wütenden Protesten der Bürger. Als sich ein weiterer Mord ereignet, wächst auch der Druck auf die Polizei von Easttown ins Unermessliche. Einer Stadt, in der einiges im Argen zu liegen scheint.

von Cliff Lina

Der Vorteil, den Serien gegenüber Filmen besitzen, ist sicherlich der zeitliche Spielraum, den das Drehbuch im Bestfall dazu nutzt, um uns Charaktere näher zu bringen, uns emotional zu involvieren und Ereignisse innerhalb der Geschichte damit umso wirksamer werden zu lassen. „Mare of Easttown“ hat dafür gerade einmal sieben Folgen Zeit, begeistert aber im Grunde vom Start weg mit einer packenden Handlung und vielfältigen Figuren. Allen voran Mare, die mit ihrer leicht süffisanten Art vielen vor den Kopf stößt, bei genauerem Hinsehen jedoch schnell durchscheinen lässt wie ihre Rolle zu verstehen ist. Sowohl die Dialoge innerhalb ihrer Familie als auch die mit Bewohnern oder Kollegen sind stets auf den Punkt, sodass die Zuschauerschaft sich schnell im Geschehen einfindet.

Dieses hat sich zum Ziel gesetzt der Kriminalgeschichte eine sehr persönliche Komponente mit auf den Weg zu geben. Im Fortlauf der Handlung verschwimmen das Privatleben von Mare und die Mordermittlungen zu einem komplexen Konstrukt, das ungezügelt und mit voller Wucht sämtliche Emotionen bedienen kann. In einem Moment noch tieftraurig, wankt im nächsten Augenblick die Mutter von Mare (grandios gespielt von Jean Smart) im Martinirausch durch die Wohnung und beobachtet mit diebischer Freude welche Männer bei ihrer Tochter ein- und ausgehen. So seltsam diese Mischung klingen mag, so gut funktioniert sie, da sich beide Stimmungslagen gekonnt ergänzen und die ganze Kuriosität des Lebens in wenigen Augenblicken greifbar machen. Wer auch immer über die Besetzung der einzelnen Figuren entschieden hat, hat definitiv ein Gespür für seine Arbeit. Jede Konstellation funktioniert, jede Rolle bietet Ecken und Kanten und kein Dialog wirkt unnötig. „Mare of Easttown“ ist ein Paradebeispiel für die perfekte Umsetzung eines Drehbuchs.

So gut sich jeder Akteur dabei auch schlagen mag, am Ende ist es insbesondere Kate Winslet, die die Serie auf ihren Schultern trägt. Die absolute Überzeugung, mit der die Britin ihre Rolle verkörpert, presst einen förmlich in die heimische Couch. Man leidet mit ihr, freut sich über kleine Erfolgserlebnisse und durchlebt eine emotionale Achterbahnfahrt, die sowohl zerberstende Spannung als auch leise Momente bietet. Am Ende verspürt man selbst eine gewisse Erleichterung, gepaart mit Traurigkeit über das schnelle Ende der Serie, die offiziell abgeschlossen ist und keine weiteren Staffeln erhalten wird. Inhaltlich passt das durchaus, da alle Geheimnisse der Stadt dechiffriert werden, die Qualität und die Kurzweiligkeit hinterlassen jedoch auch Wehmut darüber, dass man wohl nie wieder nach Easttown zurückkehren wird.

Fazit

In gerade einmal sieben Folgen erreicht “Mare of Easttown” eine emotionale Tiefe, von der komplette Serien nur träumen können. Kate Winslet brilliert als sarkastisch gebrochene Polizistin, die in der Intimität ihrer Kleinstadt immer tiefer in die menschlichen Abgründe blickt und dabei nicht nur Verbrechen aufdeckt, sondern auch wieder zu sich selbst findet. Bis auf ein bis zwei etwas zu erzwungene Twists am Ende eine bis in die Nebenrollen perfekt besetzte, nah am Leben geschriebene und phasenweise herzzerreißende Serie, die keinen Vergleich im Genre scheuen muss.

Bewertung

Bewertung: 9 von 10.

Bilder: ©HBO