Kaum ein Genre prägte das Kino in den letzten 15 Jahren so sehr wie der Superheldenfilm. Von manchen als “Western der Neuzeit” belächelt, als “filmische Jahrmarktattraktionen” abgetan (Martin Scorsese) oder gar als “abscheulich” (Francis Ford Coppola) bezeichnet: Das Publikum lockten diese Filme stets ins Kino. Insbesondere das Marvel Cinematic Universe wurde zu einer Blockbuster-Walze, die all jene begeisterte, die mit den Superhelden Kindheitserinnerungen verbanden. Oder die im Kino einfach gut unterhalten werden wollten. Die Marvel-Helden wurden zu Stars – und meist war auch die Kritik auf Seite der Filme, die so sowohl Publikum, als auch viele Fachleute zu überzeugen wussten.

Seit einigen Jahren ist das anders: Insbesondere nach der Disney-Übernahme von Marvel änderte sich nicht nur der Ton mancher Superheldenfilme, auch der Zugang zu den Produktionen änderte sich. Ging es ehemals in erster Linie um beste Unterhaltung, begann Disney politische Botschaften in Filme einzubauen und die Besetzung der Filme oder die Auswahl der Verfilmungen an aktuellen Trends auszurichten, die Kritiker gerne als “woke” bezeichnen. Der neue Zugang von Disney zeigte sich auch in anderen Bereichen: Die Merchandise-Abteilung wurde überarbeitet, alte Produkte wurden gestrichen, neue kamen hinzu. Ebenso bemüht man sich, alles “im eigenen Haus” zu behalten und zu produzieren und Rechte an Figuren oder Filmen nicht mehr an Dritte abzutreten, um so die Einnahmen weiter zu steigern. Zum Beispiel wurden dem Software-Entwickler Playtech Casinos die Lizenzen entzogen, die zuvor in einigen ihrer Spiele Marvel-Charaktere verwendet hatten. Disney ist Multimilliarden-Konzern geworden, der auf allen Ebenen mitmischen will.

Neben der inhaltlichen Kritik an den letzten Marvel-Verfilmungen kam nicht selten auch eine qualitative: Nicht wenige Fans (und auch Kritiker) sahen die Wiederholung desselben Erzählmusters in vielen Verfilmungen der letzten Jahre, wenig Mut und Innovation aufseiten der Kreativteams. Zu generisch seien die Filme geworden, so ein oft vorgebrachter Vorwurf an die Marvel-Macher, zu durchschnittlich und beliebig die Werke.

Das schlägt sich inzwischen auch in den Einspielergebnissen nieder: Der letzte Marvel-Film mit einem Einspielergebnis von über 1 Mrd. war “Spider-Man: No way home” aus 2021. Die direkt davor veröffentlichen Filme “Black Widow”, “Shang-Chi” und “Eternals” waren relative Flops mit Einnahmen von jeweils rund 400 Millionen. Die Filme aus 2022 und 2023 kratzten zwar teilweise an der 1 Mrd.-Marke, von Dimensionen der “Avengers”-Filme (“Avengers: Endgame” spielte fast 3 Mrd. ein) ist man aber weit entfernt.

Schwerer wiegen aber ohnehin die inhaltlichen und qualitativen Probleme. Hinzu kommt seit der Disney-Übernahme und insbesondere seit dem Launch von Disney+ ein absoluter Overload an Marvel-Content: Denn der Streamingservice wird seither auch mit Marvel-Serien jeglicher Art geflutet, die nicht alle überzeugen können. Der “USP” der MCU-Blockbuster wurde damit eingebüßt, der zwei-, dreimalige Kinobesuch im Jahr, um den neuesten Marvel-Streifen zu sehen – ein soziales Event, wie der Besuch auf dem Jahrmarkt – wurde damit aufgegeben. Zudem hat man bestimmte Publikumssegmente, die in Filmen Unterhaltung sehen und kein politisches Medium, mit der teils sehr “woken” Ausrichtung vergrault. Experimente wie die Independent-Regisseurin Chloe Zhao mit der Regie von “Eternals” zu betrauen gingen ebenfalls eher in die Hose.

Will Marvel noch mal “die Kurve kriegen”, muss man sich neu erfinden. Es wird nicht reichen, Filme nach immer dem selben Schema zu produzieren, auf Nummer sicher zu gehen, nirgends anzuecken und harmloses Entertainment “für die ganze Familie” zu schaffen. DC zeigte mit seinen Filmen “Joker” oder “The Batman” vor, dass es auch düsterer und erwachsener, aber vor allem qualitativ anspruchsvoller und tiefgründiger geht. Ob Marvel den Mut haben wird, mit der eigenen Tradition und den eingefahrenen Mustern zu brechen, wird sich zeigen.

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