„The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer ist seit 29.2. im Kino zu sehen.

Unsere neue Reihe Film & Faschismus befasst sich, angesichts aktueller politischer Bedrohungen, mit filmischen Werken, die sich ihrerseits auf unterschiedliche Art und Weise mit Faschismus befassen. Weitere Texte der Reihe gibt es HIER.

von Christian Klosz

Der britische Regisseur Jonathan Glazer hat sich mit nur 4 Filmen ein ordentliches Renommee erarbeitet: Vor allem die Fachwelt schätzt den Autorenfilmer, dem es trotz immer schwieriger werdender Bedingungen in der Branche für Künstler seiner Ausrichtung gelingt, persönliche filmische Visionen umzusetzen.

Persönlich, originär, eigenwillig – so muss man auch „The Zone of Interest“ bezeichnen. Der Film porträtiert den Alltag von Rudolf Höss, Nazi und von 1940 bis 1943 Leiter des KZ Auschwitz, und seiner Familie. Wobei dieser Alltag in direkter Nachbarschaft der barbarischen Verbrechen des NS-Regimes, des millionenfachen Mordes an Juden und Jüdinnen stattfindet, den Höss maßgeblich verantwortet. Denn er und seine Gattin Hedwig (gespielt von Sandra Hüller) bewohnen mit ihren Kindern ein Haus auf der anderen Seite der KZ-Mauern.

Glazer zeigt in unerträglicher Nüchternheit dieses Familienleben, das nur unter grandioser Verdrängung stattfinden kann, und entstellt es so zur Kenntlichkeit: Eine triste, traurige, öde Existenz, ein tragisches Schauspiel, von den Protagonisten Rudolf und Hedwig für sich selbst und ihre Kinder aufgeführt. Die Illusion von Normalität, während im Hintergrund Schüsse zu hören sind, Menschen als schwarze Rauchschwaden durch die Schornsteine monströser Brandöfen diese Erde verlassen. Als Opfer einer ultimativ bösartigen Massenmordmaschinerie, über die Höss selbst die Kontrolle besitzt.

Hannah Arendt sprach von der „Banalität des Bösen“, davon, dass das Böse nicht mit Pauken und Trompeten sich ankündigt und zeigt, sondern unauffällig, beiläufig passiert. Dieser Gedanke muss einer der Leitsätze Glazers in „The Zone of Interest“ gewesen sein: Die Idee, diese (scheinbare) Normalität des Bösen sichtbar zu machen, indem das sichtbare Böse (Holocaust) unsichtbar gemacht wird. Ein subtiles Plädoyer für’s genaue Hinsehen. Denn in keiner einzigen Szene sieht man hier Konkretes, sieht man die teuflischen Taten der Nazis. Sie lassen sich aus Andeutungen erahnen, durch Geräusche, Gespräche, in denen über die zu tötenden Menschen wie über Objekte gesprochen wird, wie über industrielle Massenware. Stolz wird Höss von einem neuen Hochofen mit innovativer, außerordentlich effektiver Funktionalität berichtet, der besonders viele Menschen besonders schnell verbrennen könne, stolz gibt er ebendiese Informationen weiter. Gesprochen wird darüber in einer Beiläufigkeit, in der der barbarische Massenmord normal geworden ist. Alltag. Der hier subversiv dargestellte Mechanismus gibt vielleicht auch Aufschluss darüber, wie es solchen und ähnlichen Gräueltaten immer noch und immer wieder gelingt, um sich zu greifen, oft scheinbar versteckt vor den Augen der Massen.

Höss ist dabei feiger Schreibtischtäter, der sich selbst nicht die Hände schmutzig macht, den Massenmord brav, gehorsam, pflichtbewusst und ordentlich administriert, um nebenbei eine deutschtümelnde, kleinbürgerliche, lächerliche Existenz zu führen, wie „der Führer sich das wünscht“. Seine Frau Hedwig ist außer sich, als Rudolf aus Auschwitz versetzt werden soll, ihr „schönes“, „perfektes“ Familienleben vor dem Aus steht. „Das ist das, was wir immer wollten!“ sagt sie. Ein kleines Häuschen im Grünen mit Gärten voller Blumen, einem kleinen Pool, neben den Stacheldrahtmauern, hinter denen unschuldige Menschen abgeschlachtet werden. Herrlich.

Fazit

Jonathan Glazer legt mit „The Zone of Interest“ einen unerträglich nüchternen, aber daher umso wirkungsvolleren Film vor, der die Frage nach dem Bösen, die Themen NS-Terror, Holocaust und Faschismus auf bisher unbekannte Weise bearbeitet. Ein stiller, verstummter, erstickter filmischer Schrei, der schockiert durch das, was er nicht zeigt. Ein Film der nachwirkt und Implikationen für die Gegenwart bereit hält, für jene, die sie sehen wollen: Der Anfang alles Bösen ist das Wegschauen.

Wertung

Bewertung: 8 von 10.

(81/100)

Bilder: (c) Leonine