Regisseurin Emilie Blichfeldt liefert für ihr Spielfilm-Debut „The Ugly Stepsister“ (2025) eine nicht ganz so zauberhafte Version eines altbekannten Märchens und spricht so aktuelle Themen in einem historischen Fantasy-Setting an. Dabei bekommt der Originalstoff von den Gebrüdern Grimm das Body-Horror-Treatment und wird so zur Folie für eine blutige Darstellung weiblicher Rivalität im Angesicht unerreichbarer Schönheitsideale. Ab 6.6.2025 in den Kinos Deutschlands und Österreichs, ab 11.9.2025 auch im Heimkino auf BluRay, DVD und als VOD.

von Natascha Jurácsik

„The Ugly Stepsister (2025)“: Aschenputtel als Body Horror-Adaption

Elvira (Lea Myren) sieht sich frisch in der Rolle der Stiefschwester, nachdem ihre Mutter Agnes‘ (Thea Sofie Loch Naess) Vater heiratet, der kurzdarauf stirbt. Konfrontiert mit der drohenden Gefahr von Armut sehen die Frauen des nun patriarchenlosen Haushalts ihre Rettung in einer lukrativen Ehe, wobei Elvira und Agnes zu bitteren Rivalinnen werden. Letztere hat zwar die Oberhand was Schönheit und Anmut angeht, doch sie unterschätzt, wie weit Elvira gewillt ist, für ihre Traumhochzeit mit dem Prinzen Julian (Isac Calmroth) zu gehen.

Wer das Märchen vom Aschenputtel als Inspiration für „The Ugly Stepsister“ erkannt hat, liegt natürlich absolut richtig. Die Grimm-Stoffe sind bekannt für ihre etwas unappetitlichen Details und reizen daher das Genre der „Kindergeschichten“ mit mörderischen Elternfiguren und körperlicher Verstümmelung ziemlich aus. Genau an diesem Punkt setzt Blichfeldt mit ihrer Horror-Vision an und findet den perfekten Zugang, um einerseits den aktuellen Body-Horror-Hype zu bespielen (mit Filmen wie „The Substance“ als Vorbild und Paradebeispiel) und andererseits den stets fortwährenden Diskurs zu weiblicher Autonomie in eine aus Kindertagen bekannte Fassade zu hüllen. Somit wirkt die Handlung sowohl vertraut als auch befremdlich und verdient sich die Freud’sche Beschreibung des Unheimlichen.

Dies bezieht sich auch auf das Visuelle, denn obwohl Blichfeldt ganz bewusst die Ästhetik alter Märchenfilme aus dem Osten – wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ – anstrebt, nutzt sie penibel inszenierte Einstellungen, die „The Ugly Stepsister“ eine melancholische Traumhaftigkeit verleihen, um das Publikum daran zu erinnern, dass es sich hierbei um eine düstere Allegorie handelt, statt einer eskapistischen Ablenkung. Das Highlight sind dabei die Special-Effects: Das Indie-Budget ist bei der Darstellung grausiger Verstümmelungen definitiv nicht spürbar, obwohl es hier nicht viel Raum für filmische Tricksereien gibt, da die Kamera gnadenlos auf jede kleinste Verletzung draufhält. Wer ein Problem mit Blut oder jeglichen sonstigen Körperflüssigkeiten hat, wird hier maßlos auf die Probe gestellt.

Komplexe Repräsentation von Frauen

Doch der wahre Kern der Geschichte sind die Figuren: Statt die moralische Schwarz-Weiß-Malerei des Originals zu übernehmen, entscheidet sich Blichfeldt für eine weitaus komplexere Repräsentation von Frauen und ihrer eingeschränkten gesellschaftlichen Handlungsmacht. Keine der weiblichen Charaktere ist nur gut oder nur böse und der Zuschauer wird aufgefordert, sich an verschiedenen Punkten mit jeder zumindest ansatzweise zu identifizieren – oder sie zu verdammen. Denn auch Aschenputtel bzw. Agnes ist in dieser Version kein unschuldiges Opfer, sondern ein junges Mädchen, das sich mit den Grenzen ihrer Ambitionen konfrontiert sieht und ihre Mittel nutzt, um sich eine annehmbare Zukunft zu sichern. Aber auch wenn es für niemanden ein wirkliches Happy End gibt, endet „The Ugly Stepsister“ vorsichtig hoffnungsvoll und vermeidet somit eine wirklich nihilistische Aussage.

Interessant ist auch der Humor, denn die Regisseurin versucht sich trotz der finsteren Atmosphäre und ernsten Thematik zumindest ansatzweise an einer Horror-Komödie. Zwar verdient sich das Projekt diesen Titel nicht ganz, doch die Handvoll an Witzen reichen aus, um den Ton hier und da etwas aufzulockern. Die Absurdität eines historischen Märchens mit kontemporären Elementen wie Schönheits-OPs wird hier indirekt angesprochen, als würde der Film dem Publikum auf einer Meta-Ebene sagen „Ja, das ist alles etwas verschroben, wissen wir.“

Die Substanz des Dargestellten leidet jedoch nicht, da die Gags nie bis ins Lächerliche reichen und die metaphorische Illusion zerstören. Zusätzlich glättet der Humor die Wogen des schleppenden Tempos, denn obwohl es im Laufe der fast zwei Stunden Spielzeit nie langweilig wird, zieht sich die Handlung ein wenig und wiederholt unnötig bereits gemachte Argumente. Diese Schwäche wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass der Zuschauer trotz Originalität ohnehin schon weiß, wie die Geschichte ausgeht.

Fazit

Ein Märchen, das kein Märchen ist – „The Ugly Stepsister“ nutzt vertraute Narrativen zur Aufarbeitung moderner Probleme und wird nebenbei zu einem Genre-Gem des Body-Horrors. Auch wenn der Film zwischendurch etwas träge wirkt, ist er definitiv nichts für schwache Nerven – oder für Kinder.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(72/100)

„The Ugly Stepsister“ wurde beim Slash 1/2 gesehen, das Mitte Mai in Wien stattfand. Ab 6.6.2025 ist der Film regulär in den deutschen / österreichischen Kinos zu sehen. Am 11.9.2025 erscheint der Film auch auf BluRay, DVD und als VOD.

Bild: (c) Mer Film / Slash Festival