Kaum ein anderer österreichischer Schauspieler hatte in den letzten Jahren eine vergleichbare Präsenz wie er: Zuerst als umjubelter “Jedermann”-Ersatz oder im “Jedermann – Reloaded”, in zahlreichen Filmproduktionen im Kino und Fernsehen oder in der neuen, erfolgreichen Serie “Blind ermittelt” – die Rede ist natürlich von Philipp Hochmair.
Am 20.12. kommt Peter Payers schwarze Komödie “Glück gehabt” mit Hochmair ins Kino, wo er eine Rolle spielt, die man als ziemliches Gegenteil seiner realen Person bezeichnen könnte: Protagonist Artur ist ein erfolgloser und wenig ehrgeiziger Comic-Zeichner, dessen beschauliches Leben durch eine prickelnde Affäre jäh auf den Kopf gestellt wird.
Wir trafen Philipp Hochmair in Wien zum ausführlichen Interview. Das Interview führte Paul Kunz.

Film plus Kritik: Philipp, du bist aktuell irrsinnig gefragt. Du hast kürzlich den „Schiller Rave“ im Musikverein vorgestellt, zeigst „Jedermann Reloaded“ im Burgtheater und drehst für den Krimi-Mehrteiler „Blind ermittelt“, sowie „Charité“. Am 20. Dezember erscheint „Glück gehabt“ in den Kinos. Kommst du noch zum Entspannen?
Philipp Hochmair: Jetzt zum Beispiel kann ich entspannen – wenn wir zusammen über den Film philosophieren (lacht…)! Aber ja du hast Recht, es ist gerade viel los.
Film plus Kritik: Du machst im Moment sehr viel im Film und Fernsehen. Was sind denn für dich die Vorzüge gegenüber Theater?
Philipp Hochmair: „Vorstadtweiber“ zum Beispiel haben Millionen gesehen. Nicht nur bei uns in Österreich, sondern über Netflix auch im Ausland. Ich wurde sogar in Australien auf der Straße von begeisterten Vorstadtweiber-Fans angesprochen. So was passiert einem Theaterschauspieler heutzutage nicht so schnell. Da kann ich noch so oft „Jedermann Reloaded“ im Burgtheater spielen. Aber die Mischung aus beidem ist eine super Kombi! Ich glaube, dass Schnitzler, mein Charakter in „Vorstadtweiber“ sehr von den Experimenten lebt, was ich auf der Bühne ausprobieren konnte. Das ist bei „Glück gehabt“ ähnlich der Fall.
Film plus Kritik: In „Glück gehabt“ spielst du Artur, eine sehr entschleunigte, reagierende Figur. Du bist das Gegenteil davon. Wie ist das für dich, so jemanden zu spielen?
Philipp Hochmair: Das war aufregend, denn in dieser Rolle konnte ich etwas ganz Neues ausprobieren. Vielleicht auch eine ganz neue Seite an mir kennen lernen. Denn als nervöser Charakter, der ich von Natur aus bin, einen sehr ruhigen, entspannten Menschen zu spielen, ist glaub ich leichter als umgekehrt. Da lässt sich der Unterschied vielleicht besser herausarbeiten.
Film plus Kritik: Was kannst du von Artur lernen?
Philipp Hochmair: Die Gelassenheit und das Träumen.
Film plus Kritik: Gibt es auch etwas, das man auf gar keinen Fall von Artur lernen sollte?
Philipp Hochmair: Man muss nicht alles immer so hinnehmen, was auf einen zukommt im Leben. Arthurs Grundgedanke ist ja immer dieses achselzuckende „Auch gut“. Da liegt dann aber plötzlich ein Toter im Zimmer seiner heimlichen Geliebten. Denkt man da dann auch: „Auch gut“?
Film plus Kritik: „Glück gehabt“ ist deine erste Zusammenarbeit mit Regisseur Peter Payer. Kannst du etwas über diese Zusammenarbeit erzählen?
Philipp Hochmair: Wir haben uns 2004 kennengelernt, als er sich meinen Monolog „Werther!“ im Akademietheater angeschaut hat. Wir sind über die Jahre im Dialog geblieben und jetzt war der richtige Zeitpunkt. „Glück gehabt“ ist ein besonderer Film und es freut mich umso mehr, dass es nach so langer Zeit jetzt geklappt hat. Glück gehabt!
Film plus Kritik: Der Film ist ja sehr schwarzhumorig. Ist das etwas, was der österreichische Film besonders gut kann?
Philipp Hochmair: Auf jeden Fall! Österreich hat eine große Qualität in dieser eigenartigen Grenzüberschreitung. Schwarze Komödien können wir Österreicher am besten. Das folgt einer langen Tradition. Das kleine Land, das einst so groß war, hat gelernt mit Selbstironie zu überleben.
Film plus Kritik: Und was können die Deutschen besser?
Philipp Hochmair: Helle Komödien. Also das Gegenteil von den schwarzen Komödien halt. Wie heißt das nochmal? Also normale Komödien. Wo es um Liebe geht. Also Liebeskomödien? Also Komödien mit Liebe, ohne schwarze Komödie. Aktuell läuft im Kino zum Beispiel „Ich war noch niemals in New York“, wo ich eine winzige Rolle spiele. Da sieht man eine brillante, helle, deutsche Komödie, im Kontrast zur schwarzen österreichischen Komödie.
Film plus Kritik: „Freud“, wo du auch mitspielst, ist die erste österreichische Netflix-Serie. Was kannst du denn davon erzählen?
Philipp Hochmair: Diese Komödie ist so schwarz, dass es schon gar keine Komödie mehr ist. Also weder eine schwarze, noch eine helle. Also gar keine… Hier befinden wir uns in einem so genannten „Historical Fiction“. Der historische Teil ist das Leben des jungen Sigmund Freud. Der Vielvölkerstaat Österreich, die jüdische Kultur und das Universum von Freud werden zum Spielfeld eines fiktionalen Thrillers. Ich spiele darin einen dubiosen, ungarischen Grafen, der Kaiser Franz Joseph stürzen will.
Film plus Kritik: Weil wir gerade von schwarzem Humor sprechen – gibt es deiner Meinung nach auch Dinge, über die man nicht lachen sollte?
Philipp Hochmair: Es gibt sehr viele Dinge, über die man nicht lachen sollte. Aber Mephisto in Goethes Faust sagt nicht zu Unrecht, dass Narrheit ein wichtiger Bestandteil unseres Menschseins ist. Narrheit ist wichtig, um mit der Realität zurechtzukommen. Und darum bin ich ein großer Verfechter von Sarkasmus und Ironie, weil es sicher viele Situationen im Leben gibt, die man damit leicht bewältigen kann. Kunst sollte meiner Meinung nach gerade auch dazu da sein.

Film plus Kritik: Das „Polykrates-Syndrom“, so der Titel der Roman-Vorlage von „Glück gehabt“, beschreibt, wie die Suche nach Glück Menschen oftmals das Gegenteil einbringt und sie ins totale Unglück stürzt. Die Suche nach Glück nicht zu sehr zu forcieren – ist das ein Thema, das jetzt besonders aktuell ist?
Philipp Hochmair: Unser Alltag, unser Leben, unsere Kultur wird gerade einem großen Wandel unterzogen und darum wird die Suche nach Glück wieder ganz neu angeheizt und definiert. Der Film passt sehr gut, weil er mit alten Werten spielt.
Film plus Kritik: Inwiefern definiert sich die Suche nach Glück gerade neu?
Philipp Hochmair: Du bist sicher doppelt so jung wie ich. „Doppelt so jung“, kann man das sagen? [lacht] Und deine Instrumentarien, Glück zu suchen, sind sicher anders als meine – mehr von der digitalen Welt und vom Netz geprägt. Da hinke ich hinterher. Die Frage, was scheinbar Glück ist, ist heute durch Social Media sicherlich leichter zu definieren. Aber gleichzeitig wird der neuen Welt ein Mysterium genommen, denn das Netz beantwortet fast alle Fragen und man bekommt alles scheinbar immer und zu jeder Zeit. Aber macht das glücklich? Als Filme- und Theatermacher frage ich mich: Wie kann man alte Stoffe, wie zum Beispiel Werther und Jedermann, wo es ja auch um die Frage nach Glück geht, noch verkörpern und sind die in unserer digitalen Welt überhaupt relevant?
Film plus Kritik: Wiener sind ja bekannt für ihren Grant. Suchen wir Wiener zu sehr nach Glück, dass wir so grantlert sind?
Philipp Hochmair: Wir haben nach dem ersten Weltkrieg einen kulturellen Schock erlebt. Unser Land ist maximal geschrumpft – dieser Schmerz um den Verlust des großen Kaiserreichs ist noch in unserem Volkscharakter verwurzelt. Ich glaube, daraus entsteht dieses eigenartige Grantln und diese Sehnsucht nach einem allumfassenden Glück, das in der Figur des Kaisers verschwunden ist… oh Gott! Was für eine absurde Theorie! Das ist historical fiction! Schwarze Komödie austrian style. [lacht]
Film plus Kritik: Und was ist dein nächstes Projekt nach „Glück gehabt“?
Philipp Hochmair: Wieder ein österreichischer Grantler: das Pathologie-Genie Otto Prokop in der dritten Staffel von „Charité“. Aber davor kommt noch einiges raus, was ich in der letzten Zeit gemacht habe: „Blind ermittelt 2 & 3“ (auf ORF1), meine „Werther!“-CD (seit 22.NOVEMBER im HANDEL und auch digital), die Netflix-Serie „Freud“ und der Kinofilm „Glaszimmer“.
Das Interview fand am 5.11. in Wien statt. Der hier veröffentlichte Text stellt eine leicht abgeänderte und überarbeitet Version der Aufnahme dar.
Bilder, außer anders ang.: © Prisma Film