Da ist er also, der nächste Film, der auf einem Comic basiert, der nächste Film, der den derzeitigen Hypetrain um das Genre nicht verpassen möchte. Diesmal heißt der Verlag allerdings nicht Marvel oder DC, sondern Valiant – eine Tatsache, die zumindest Comicfans aufhorchen lassen dürfte, war der Verlag in den 90ern doch recht erfolgreich, unter anderem eben mit der Reihe „Bloodshot“.
von Mara Hollenstein-Tirk
In dieser geht es, genauso wie im Film auch, um einen ehemaligen Soldaten, der von einem Kriegseinsatz zurückkehrt, nur um von einem Verbrecher gekidnappt zu werden und mit ansehen zu müssen, wie seine Frau vor seinen Augen ermordet wird. Nachdem ihm selbst die Waffe vors Gesicht gehalten wird, taucht er kurzzeitig ein in komplette Dunkelheit, bis er, unter Amnesie leidend, in einer Forschungseinrichtung erwacht. Die lebensverändernde Nachricht erhält er dann auch prompt: Er war tot, aber dank der Anreicherung seines Blutes mit Nanites (sehr kleinen Robotern) konnte er reanimiert werden. Als nach und nach seine Erinnerungen zurückkehren, beschließt er, ausgestattet mit seinen neuen Fähigkeiten (z.B. rapide Selbstheilung, erhöhte Kraft und Ausdauer), den Mörder seiner Frau ausfindig zu machen und Rache zu nehmen – was dem Leiter der Forschungseinrichtung zumindest vordergründig nicht zu gefallen scheint.

Mehr sollte man eigentlich nicht über die Handlung des Films wissen – wer also den Trailer bisher vermeiden konnte, der sollte das auch in Zukunft tun, denn wieder einmal beweist dieser anschaulich, wie wenig es die Produktionsfirmen interessiert, ob sie große Geheimnisse, die im Film dramaturgisch auch eindeutig als solche aufgebaut werden, einfach enthüllen. So sitzen die Trailer- (und Genre-)Kundigen im Kinosaal und können ab Minute 1 ziemlich genau vorhersagen, wohin die Reise gehen wird. Allerdings darf man die ganze Schuld nicht alleine beim Trailer suchen, denn auch Genre-Experten, die diesen nicht gesehen haben, wissen spätestens nach der Einleitung, was es geschlagen hat.
Dabei ist dieses strikte Festhalten an Genrekonventionen nicht einmal das hervorstechendste Problem. Vielmehr ist es die Tatsache, dass der Film in all seinen Teilen wie eine wilde Mischung aus dutzenden Ideen wirkt, die man alle schon einmal so oder so ähnlich auf der großen Leinwand gesehen hat – selbst die durch Nanites verbesserten Supersoldaten gab es bereits in dem, zugegebenermaßen ziemlich lahmen, „G.I. Joe – Geheimauftrag Cobra“. Da hilft es dann auch recht wenig, dass die Macher von „G.I. Joe“ die Idee vermutlich von den Valiant-Comics abgeschaut haben.
Dass es trotz der Zuhilfenahme all dieser Klischees eindeutig an einem ausgereiften world building mangelt, wodurch teils massive Logiklöchern entstehen, wirkt da schon beinahe nebensächlich, denn all diese Kritikpunkte würden nicht so schwer wiegen, hätte man als Zuschauer dafür wenigstens einen Helden, mit dem man wirklich mitfühlen kann – so wie etwa Tom Hardys Performance damals „Venom“ vor einer Vollkatastrophe bewahren konnte. Hier muss man leider ganz klar sagen: Vin Diesel ist kein Tom Hardy. Mit Onelinern und harten Schlägen weiß er zwar durchaus um sich zu werfen, aber sobald es einmal etwas emotionaler zugeht, kommen die nötigen Regungen entweder zu spät, gar nicht oder viel zu übertrieben. Auch mit den anderen Figuren stellt man keine richtige Verbindung her, reicht ihre Charakterentwicklung doch nur selten über eine äußerst kurze Vorstellung hinaus. Das ist selbst für Genreverhältnisse ziemlich faul und erinnert stellenweise sogar an die Einführung des Charakters Slipknot in „Suicide Squad“: „This ist the man who can climb everything“ – ja, danke für diese wichtige Information. Bei diesem Level an Charakterzeichnung verwundert es dann auch nicht, dass selbst die Schurken des Films blasser bleiben als eine frisch gestrichene Mauer. Armer Guy Pearce, der sich wirklich offenkundig bemüht, seiner Rolle etwas Profil zu verleihen, gegen das Drehbuch aber einfach nicht anzukommen vermag. Den Sprüche klopfenden Technik-Sidekick, der für den scheinbar obligatorischen, hier allerdings völlig deplatzierten Humor sorgen soll, lassen wir an dieser Stelle einfach mal außen vor, immerhin macht es der Film genauso.
Fazit:
Alles in allem klingt das eben Gesagte vielleicht etwas negativer, als es der Film in seiner Gesamtheit verdient hat, denn dank einiger gut gemachter Effekte und eines durchaus wertigen Produktionsniveaus bietet der Film genügend Schauwerte, um sich im unteren Genredurchschnitt wiederzufinden. Womit auch schon die zahlreichen Probleme auf einen guten Nenner gebracht worden wären, denn dieser Film ist mittelmäßige Stangenware von der öden Art. Zuschauer, die bisher noch nicht so viel Einblick in das Genre haben, werden sich deswegen wahrscheinlich ganz gut unterhalten fühlen, immerhin wird ihnen so gut wie alles an Klischees geboten, die es gibt. Kenner hingegen lassen das Spektakel wahrscheinlich eher dezent gelangweilt über sich ergehen – oder bleiben am besten gleich Zuhause.
Bewertung:
5 von 10 Punkten
Bilder: © 2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH