2008 konnte sich Regisseur Stefan Ruzowitzky über einen Oscar für „Die Fälscher“ freuen, der damals mit dem Preis für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde. Wenn also bekannt wird, dass Ruzowitzky einen Roman von Herman Hesse verfilmen wird, dann darf man schon mal aufhorchen: Versprochen wurde mit „Narziss und Goldmund“ eine modernisierte Version des deutschsprachigen Literaturklassikers, immer wieder kündigte Ruzowitzky ein „deutsches Game of Thrones“ an. Die Erwartungen sollte man aber besser ein wenig runterschrauben, bevor man den Kinosaal für das mittelalterliche Abenteuer betritt.

von Paul Kunz

Die Handlung folgt den titelspendierenden jungen Männern Narziss (Sabin Tambrea) und Goldmund (Jannis Niewöhner). Narziss ist ein Mönch, der seit frühesten Kindertagen im Kloster lebt. Dort wird eines Tages der lebhafte Goldmund vom eigenen Vater abgesetzt; dieser wollte den Burschen schnellstmöglich loswerden, nachdem seine Mutter das Weite gesucht hat. Zwischen Narziss und Goldmund entsteht bald eine tiefe Freundschaft, die auch anhält, nachdem Goldmund das Kloster verlässt. Denn während Narziss erfüllt wird von seiner Liebe zu Gott, möchte Goldmund hinaus in die Welt, um einerseits ein Künstler zu werden, aber auch um sich selbst, aber auch seine Mutter zu suchen – und stattdessen eine Reihe junger Liebhaberinnen zu finden.

Ruzowitzky, der nicht nur im Regiestuhl saß, sondern auch das Drehbuch verfasste, hat eine eigenartige Struktur für die Erzählung gewählt, die zugestandenermaßen nicht unbedingt für eine klassische Filmstruktur ausgelegt ist. Nachdem die Handlung aus der Jugendzeit der beiden Protagonisten einige Jahre nach vorne springt, tut sie dies bald noch ein zweites Mal, nur um dann wieder zurückzuspringen und die Lücken dazwischen in Flashbacks aufzufüllen. Dies erscheint befremdlich, da es aus narrativer Sicht unnötig ist, erfüllt jedoch immerhin den Zweck, dass Narziss und Goldmund nicht für zu große Strecken der Filmzeit am Stück voneinander getrennt sind.

Die glaubhafte Freundschaft der beiden Protagonisten ist tatsächlich einer der stärksten Aspekte des Films, was insbesondere den talentierten Darstellern geschuldet ist. Jannis Niewöhner ist charmant als Goldmund, noch beeindruckender ist aber Sabin Tambrea, der Narziss echten Tiefgang verleiht und ihn zum Highlight des Films macht. Aber obwohl das Drehbuch Narziss weitaus mehr an gehaltvollen Szenen spendiert, zieht der innerlich zerrissene Mönch gegenüber Hipster-Playboy Goldmund den Kürzeren, was die filmische Aufmerksamkeit betrifft.

Denn die meiste Zeit des Films sehen wir den Lebemann mit modernem Undercut, wie er durch die Betten seiner zahlreichen Liebhaberinnen stolpert. Was Nebenfiguren betrifft, sind allesamt wenig interessant. Doch während die kürzeren Auftritte von Uwe Ochsenknecht oder Georg Friedrich zumindest punktuell für Vergnügen sorgen, haben es die Frauen dank stupider Dialogen und absurder Verhaltensweisen besonders schlecht erwischt: Sie sind nur da, um Goldmund anzuschmachten und ihm seine Sinnsuche zu ermöglichen – ein Umstand, der scheinbar auch Ruzowitzky unangenehm war, weswegen er versucht hat, die Frauenfiguren mit pseudofeministischen Statements zu pimpen. Dies erweist sich als dramatische Fehlzündung, denn die betroffenen Dialoge wirken so aufgesetzt und ungreifbar, dass der Objektstatus der Frauen umso frappierender und Goldmunds Sinnsuche in den Begegnungen mit ihnen zur Farce wird.

Die Betrachtung zweier einander entgegengesetzter Lebensentwürfe, die in ihrem Zusammenwirken Großes erreichen, kommt dadurch leider erst spät im Film über das Kratzen an der Oberfläche hinaus – nämlich dann, wenn der Film wieder die Beziehung seiner Protagonisten in den Mittelpunkt stellt. Bis dahin spielt sich an der Oberfläche immerhin einiges ab, denn dass der Film ordentlich Geld gekostet hat, sieht man ihm an: In hübschen Einstellungen werden die aufwendig dekorierten Sets gefilmt, die mit zahlreichen Schauspielern und Statisten in üppigen Kostümen befüllt sind.

Fazit

Wer darauf eingestellt ist, einen Mittelalter-Schinken in modernisierter Hochglanzoptik zu sehen, der kann durchaus Gefallen an „Narziss und Goldmund“ finden, denn als solcher unterhält er passabel. Wer seine Literaturverfilmungen gern mit ein bisschen mehr Tiefgang mag, darf diesen Film aber gerne auslassen.

Bewertung

5 von 10 Punkten

Bilder: © 2019 Jürgen Olczyk / Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH