1960 erhielt die US-amerikanische Jungschauspielerin Jean Seberg eine Hauptrolle in Jean-Luc Godards “Außer Atem”, was nicht nur ihre Karriere beflügelte, sondern sie auch als Ikone der französischen Nouvelle Vague in die Filmgeschichte eingehen ließ. Weitaus weniger bekannt als Sebergs filmisches Schaffen ist jedoch ihr politisches Engagement: aufgrund ihrer Unterstützung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung “Black Panther Party” wurde Seberg in den späten 60ern zur Zielscheibe des illegalen FBI-Überwachungsprojekts COINTELPRO. Dieser schwierigen Zeit im Leben der Schauspielerin hat nun der australische Regisseur Benedict Andrews einen Film gewidmet.
von Paul Kunz
Der Film steigt 1968 in das Leben von Jean Seberg (Kristen Stewart) ein, die aus Frankreich nach Hollywood reist um dort für eine Rolle vorzusprechen. Dort trifft sie auf den Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) – und ahnt nicht, dass ihre Bekanntschaft mit ihm sie ins Visier des FBIs geraten lässt. Denn während Jean mehr über das Black-Power-Movement lernt und ihre Unterstützung für die Sache anbietet, werden die FBI-Agenten Jack Solomon (Jack O’Connell) und sein älterer Partner Carl Kowalski (Vince Vaughn) auf den Hollywood-Star angesetzt. Bald werden Schlafzimmer verwanzt, Agenten folgen Jean auf Schritt und Tritt und drohen, die Psyche der Schauspielerin zu zerstören.
Was nach hervorragendem Stoff für ein Biopic mit Thriller-Elementen klingt, wird in „Jean Seberg“ auf eine enttäuschend mittelmäßige Weise umgesetzt. Immer wieder keimen die Ansätze des Interessanten auf und bleiben dann doch zu oberflächlich, um nachhaltig zu wirken. Ein Grund hierfür sind die zahlreichen Nebenfiguren, denen der Film einiges an Raum schenkt. Einige von ihnen erfüllen nachvollziehbare Zwecke in der Handlung und bringen interessante thematische Aspekte ein, bleiben als Figuren aber schablonenhaft und deshalb uninteressant. Verschwendet wurde hier Margaret Qualley, die zuletzt in „Once Upon A Time in Hollywood“ zu sehen war. Andere Figuren, so etwa der (erfundene) FBI-Agent mit Gewissensbissen bezüglich des Vorgehens von COINTELPRO, wirken dagegen völlig fehl am Platz.
Der Fokus auf eine Vielzahl verschiedener Figuren ist verwunderlich, denn der Film ist am stärksten, wenn Kristen Stewart als Jean Seberg zu sehen ist: Sie spielt den Hollywood-Star hervorragend. Das komplexe Innenleben einer Person, die zu spät erkennt, dass sie in eine Falle getappt ist, um anschließend langsam der Paranoia zu verfallen, ist der interessanteste Aspekt der Geschichte. Der Film hat das Glück, dass dieser Aspekt bei Kristen Stewart in talentierten Händen liegt. Ihr Spiel ist zutiefst aufrichtig, dennoch erscheint Stewart nie als bloße Imitation Sebergs. Stattdessen eignet sie sich die Schauspielerin als fiktionalisierte Figur an und verleiht ihr darüber hinaus eine erfrischende Gegenwärtigkeit.

Hervorzuheben ist außerdem die schöne Kameraarbeit von Rachel Morrison, die Kristen Stewarts starkes Spiel auf eindringliche Weise einfängt und dabei eine geeignete Bildsprache für ihre Charakterentwicklung findet. Diese gelungenen Aspekte hätten den Film wunderbar allein getragen. Es ist daher unverständlich, warum sie scheinbar gleichwertig neben den genannten uninteressanten Nebenfiguren, aber auch abgedroschenen Klischees zur Spannungserzeugung und einer Vielzahl unnötiger erklärender Dialoge stehen.
Fazit:
Irgendwo in „Jean Seberg – Against all Enemies“ steckt ein spannender Film, dessen Stärken einerseits die grundsätzliche Interessantheit des Stoffes und andererseits das inspirierte Spiel einer passionierten Kristen Stewart sind. Dazu stoßen eine gelungene Kamera, aber leider auch eine ganze Menge entbehrliches Beiwerk, das die Intensität der Geschichte zum Mittelmaß verwässert. Damit ist Benedict Andrews‘ Verfilmung zwar nicht gänzlich misslungen, bleibt aber ärgerlicherweise hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Bewertung:
Ab 17.9. im Kino (Ö).
Bilder: (c) 2020 Prokino
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