Oftmals brauchen Filme gar nicht viel um ihre Zuschauerschaft durchgehend zu unterhalten. Wo manche Werke den Zugang über konstruierte Fantasiewelten oder komplex verschachtelte Erzählweisen suchen, überraschen Kammerspiele und minimalistisch angelegte Filme mit einer ausgeklügelten Idee. Aus wenig am Ende möglichst viel machen, so lautet die Devise, die sich auch Netflix neuester Thriller „Red Dot“ auf die Fahnen, oder besser gesagt mit Blut in den Schnee geschrieben hat.
Storytechnisch begleiten wir dabei Nadja und David, ein frisch vermähltes Pärchen, bei dem die anfängliche Verliebtheit längst dem grauen Alltagstrott gewichen ist. Während sie den Haushalt schmeißt und ihren Gatten regelmäßig um Hilfe bitten muss, verbringt dieser seine Zeit lieber auf der Arbeit und vor der Spielkonsole. Als Nadja dann zu allem Überfluss auch noch schwanger wird, muss David kreativ werden um die Beziehung zu retten. Seine Idee: Eine romantische Reise in trauter Zweisamkeit. Große Sprünge sind finanziell allerdings nicht drin, deshalb führt der Weg die beiden nicht etwa in ein wohlig warmes Resort, sondern in die eisige Kälte Skandinaviens.

Womit der Film auch nach wenigen Minuten bereits am Schauplatz des zukünftigen Treibens angekommen wäre. Da das schwedische Werk aber kein Beziehungsdrama, sondern vielmehr ein Psychothriller sein will, treten schnell zwei verschrobene Einheimische, oder wie Nadja sie nennt, „Inzest-Brüder“ auf den Plan, die offensichtlich eine Vorliebe für die Jagd haben, farbigen Mitmenschen aber nichts abgewinnen können. Anfängliche Scharmützel gipfeln in einer Hetzjagd, doch warum eigentlich? Als Antwort darauf speist Regisseur Alian Darborg den Zuschauer erst einmal mit allerlei Klischees ab. Wer nach der am Reißbrett entworfenen Beziehungsszenerie noch nicht genug hat, wird fortan mit weiteren Belanglosigkeiten überschüttet, die so gar nicht als Erklärung für die Entwicklung der Geschichte funktionieren wollen.
Zu allem Überfluss ergeht sich „Red Dot“ ein ums andere Mal in naiven und mehr als zweifelhaften Charakterentscheidungen. David lässt sich beispielsweise krankschreiben um den Urlaub antreten zu können, bei einem Unfall mit Blechschaden zieht das Paar die Fahrerflucht der ordnungsgemäßen Abwicklung vor, und als die schwangere Nadja dann auch noch den offenen Konfrontationskurs mit den schwer bewaffneten Antagonisten sucht, wird sich auch der genügsamste Zuschauer fragen was der Film ihm denn hier gerade bitte erzählen möchte. Es liegt die Vermutung nahe, dass er das selber nicht so genau weiß. Für eine wirklich spannende Jagd ist alles zu vorhersehbar, für einen emotionalen Zugang handeln die Protagonisten viel zu irrational und für ernst zu nehmende Sozialkritik ist alles zu schwammig, ja gar dilettantisch verbaut.
Da hilft es dann auch nur bedingt, dass der Film im letzten Drittel eine unerwartete Wendung nimmt und thematisch nochmal eine ganz andere Baustelle aufmacht. Hätte er es bis dato geschafft seine Charaktere glaubwürdig darzustellen, wäre hier möglicherweise sogar ein grande finale drin gewesen. Aber wir alle wissen: Das Leben findet nicht im Konjunktiv statt. So kann der schwedische Spielfilm am Ende zwar schön anzusehende Naturaufnahmen und solide Leistungen der Akteure für sich verbuchen, verbleibt aber über weite Strecken blass und schwerfällig. Wer einen ähnlich angelegten, aber qualitativ hochwertigen Film sehen möchte, bleibt einfach beim bereits bekannten „Wind River“.

Fazit
Der Film zielt, hält die Luft an, und verfehlt sein Ziel doch arg. Angelegt als vermeintlich hochspannender Thriller schlittert „Red Dot“ vom Start weg von einer Dummheit in die Nächste, ist größtenteils erahnbar und irritiert mit seinen seltsam dargebotenen Moralvorstellungen. So ist das Werk letztlich zwar optisch wertig und überrascht kurzzeitig mit seinem finalen Twist, inhaltlich ist das alles aber mindestens so dünn wie das Eis, auf dem die Protagonisten irgendwann, getreu dem Klischee, einbrechen. Manchmal ist mehr eben doch mehr.
Bewertung
(34/100)
Bilder: ©Netflix
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