Die Oscars in der Krise: Nach sinkendem Zuschauer-Interesse über die letzten Jahre wurde mit der Show am Sonntag ein weiteres Negativ-Highlight erreicht. Nur mehr knapp 10 Millionen US-Zuseher (9.85 Mio.) waren im TV dabei (Quelle: CNBC), als die Trophäen überreicht wurden. Gegenüber dem Vorjahr, das schon ein neues Lowlight markiert hatte (23.6. Mio.), war das ein Rückgang von knapp 60%. Vergleicht man die Zahlen etwa mit den Werten zu Beginn der 00-er-Jahre (oder 2014), ist es mehr als eine Viertelung, denn damals waren jedes Jahr knapp ca. 45 Millionen US-Zuseher dabei.

Die Gründe für den Niedergang sind vielfältig: Zum einen hat das geringe Interesse an der Show (obwohl von Regie-Star Steven Soderbergh produziert) heuer sicher mit der Corona-Pandemie zu tun, wegen der nur wenige Filme in den Kinos zu sehen waren. Andererseits war dadurch die Präsenz von Streamingproduktionen von Netflix oder anderer, nur online gestarteter Filmen noch größer als bereits in den letzten Jahren, für das Publikum hätte es also durchaus Anknüpfungspunkte geben können.
Ein anderer Aspekt, der Licht ins Dunkel bringen könnte, ist das Statement eines anonym bleiben wollenden Oscar-Produzenten, das letzte Woche in einem New York Times-Artikel veröffentlicht wurde. Der sagte sinngemäß, dass minütlich aufgezeichnete Zuschauerzahlen der letzten Oscars-Shows zeigen würden, dass große Massen jedes Mal wegschalten, wenn Stars beginnen würden, in ihren Reden und Ansprachen “politisch” zu werden: “Increasingly, the ceremonies are less about entertainment honors and more about progressive politics” wie die Times zusammenfasst. Dass dies das Mainstream-Publikum, das meinungstechnisch so divers ist wie die ganze US-Gesellschaft, nur zu einem gewissen Ausmaß gut findet, ist logisch. Doch es ist zu vermuten, dass nicht nur jene, die sich am anderen Ende des politischen Spektrums verorten, mit der voranschreitenden Politisierung der Oscars wenig anfangen können. Für viele waren die Oscars stets eine glamouröse Gala mit viel Glanz und Gloria, eine Traumwelt, die sie für einige Stunden aus ihrem Alltag zu reißen vermochte, in der es in erster Linie um Unterhaltung, Spaß, Entertainment ging und nicht um das Voranbringen politischer Anliegen oder Agenden. Auch jene, die mit gewissen progressiven Anliegen durchaus d’accord gehen, werden wenig Freude mit der peniblen Ernsthaftigkeit der Shows der letzten Jahre haben, die es allen recht machen wollten, aber damit am Ende doch keinen zufriedenstellen konnten.
Hinzu kommt, dass die Entscheidung, die Show bereits zum dritten Mal ohne Host abzuhalten, fatal ist. Egal, wer es war oder ist: Solche eine gigantische Produktion braucht jemanden, der durch den Abend führt, der das Publikum an der Hand nimmt, der auch den einen oder anderen Scherz auf Kosten der Promis zum Besten geben kann. Wie das in der Vergangenheit eben Leute wie Steve Martin, Whoopi Goldberg, Billy Crystal, Ellen DeGeneres oder Seth MacFarlane gemacht haben oder bei den Golden Globes mehrfach Ricky Gervais, der diese Kunst auf die Spitze trieb. Eine Entertainment-Industrie, die nicht mehr über sich selbst lachen kann, ist öde, langweilig – und eben alles andere als entertaining.
Die Hintergründe der Entwicklung sind ebenfalls komplex, haben viel mit der US-Gesellschaft zu tun, deren extremer Spaltung, mit 4 Jahren Trump – aber auch mit einem immer rigider werdenden Meinungsklima, das Abweichungen von einer (vermeintlich) richtigen Position scharf sanktioniert. Und sie haben auch mit dem Machtfaktor Soziale Medien zu tun, insbesondere mit Twitter. In den letzten Jahren gab es kaum eine Oscar-Verleihung ohne massiven Shitstorm davor, währenddessen oder danach. Die Academy reagierte darauf nicht etwa mit Souveränität, Gleichgültigkeit oder Dialog, sondern fügte sich in vielen Fällen dem, was eine kleine, laute Minderheit des Gesamtpublikums (prozentuell gesehen) in virtuellen Schimpftiraden forderte. Damit mag man zwar die Twitter-Meute befriedigen (aber auch nicht wirklich, denn es gibt immer irgendetwas, das manchen nicht passt, weil es nie genug ist), das Mainstream-Publikum, das einfach eine gute Show sehen will, aber vergrämen. Der größte Fehler dabei ist nicht, welche Position die Academy einnimmt, sondern dass sie keine eigene mehr hat. Sie weiß nicht, was sie mit ihrem traditionsreichen Preis machen soll, wofür er stehen soll, wie er präsentiert werden soll. Sie fügt sich lauten Shitstorms und einer politischen Agenda, die kaum Widerspruch zulässt – und trägt so zum Tod (der Freiheit) der Filmkunst in den USA bei. (ck)
Grafik Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Academy_Awards
Titelbild: Fotomontage (c) FilmPlusKritik
Es geht zu Ende… yeah 😆
Mich interessiert es auch nicht mehr. In dem Moment, in dem ich nicht mehr weiß, ob ein Preis wegen Hautfarbe, Geschlecht oder Leistung vergeben wird, ist er für für mich wertlos.
Ich denke, so geht es vielen – was sich eben nicht zuletzt an dem Einbruch der Zuschauerzahlen ablesen lässt. Das Problem scheint mir, dass eine offene Debatte darüber – zumindest in den USA – noch nicht möglich ist, ohne sofort in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Und dass es möglich ist, einerseits Vielfalt im Filmschaffen zu begrüßen (bzw. dass es einem völlig egal ist, von wem ein Film kommt), aber trotzdem ein Unbehagen spürt, wenn etwa Kriterien geschaffen werden, welche Filme denn noch nominiert werden dürfen. Das ist dann Politik, aber nicht Kunst. Dass es da Überschneidungen gibt, ist klar, aber ab dem Moment, wo es zumindest den Anschein hat, dass politische Aspekte bei der Vergabe bedeutender sind als qualitative, ist der Preis – wie du sagst – künstlerisch wertlos. //ck
Das ganze Elend fing in meiner Erinnerung an, als Will Smith beleidigt war, als er nicht nominiert wurde und die Rassismuskarte zog.
Und nun steht der Verdacht im Raum, dass eine SINOamerikanerIN ausgezeichnet wurde und weniger eine Regiesseurin.
Zumal ich einen Leserbrief auf ZeitOnline las, in dem Nomadland gar nicht gut weg kam. Der Film wäre komplett unrealistisch, alle Wohnungs- und Obdachlosen wären dort nett und hilfsbereit zueinander.
Ein Tipp, was Filmpreise angeht: Ich habe noch keinen schlechten Film gesehen, der mit dem Goya ausgezeichnet worden ist.
Zu Nomadland kann ich wenig sagen, hab ihn noch nicht gesehen. Interessant bei dem Ganzen scheint mir aber schon, anzumerken, dass die Regisseurin soweit ich weiß Tochter eines hohen kommunistischen Funktionärs aus China ist. Da zudem wie wir wissen China die USA in der globalen Bedeutung als Weltmacht schon überholt hat, scheint es geradezu absurd, diesen Preis als Ausdruck einer Prämierung von “unterrepräsentierten, marginalisierten Gruppen” zu sehen. Die rigiden identitätspolitischen woke-Theorien kommen hier an ihre natürlichen Grenzen, da sich die Menschheit eben nicht in weiß-schwarz/anders einteilen lässt und solche Kategorien, Machtgefälle und Hierarchien immer relational sind. Ich vermute aber, dass die Amis einfach zu dumm sind, das zu checken. //ck
Zusatz: Sieht man nun Chloe Zhao als Sino-Amerikanerin oder Chinesin, die in einer (auch immer fiktiven) globalen Macht-Hierarchie aufgrund ihrer ethnischen und sozialen Herkunft auf einer Stufen mit weißen US-Amis steht (oder gar darüber), könnte man ihr Faible für “Western-Stoffe” als kulturelle Aneignung amerikanischer Traditionen sehen. Natürlich wär das doof, jeder soll machen, was er will – aber in der US-Logik wäre das umgekehrt unzulässig oder problematisch, in diesem Fall OK, da sie als Angehörige einer “marginalisierten, diskriminierten Minderheit” (was wie oben gezeigt eine absurde Vorstellung ist, in der sich die Amis immer noch als globale und kulturelle Weltmacht Nr. 1 sehen) das darf. Fazit von all dem: Es zeigt sich wieder, dass die Amis keine Ahnung vom Rest der Welt haben, Diskurse stets nur um sich selbst und eigene Probleme kreisen, die sie nie gelöst haben, und das Wissen über Kultur, Gesellschaft, Geschichte spätestens am Pazifik oder Atlantik endet. Und die Tatsache, dass amerikanische Theorien, Denkmuster, Analysen bezügl. Gesellschaft, die sehr viel mit der US-Gesellschaft zu tun haben, aber auf viele europäische oder asiatische Gesellschaften kaum oder gar nicht anwendbar oder übertragbar sind, trotzdem allem übergestülpt werden und als universal gültig angesehen werden, sind zu allererst Ausdruck eines weiteren (unbewussten) US-amerikanischen Kulturimperialismus.
Wobei auf ZeitOnline stand, dass der Gewinn in China totgeschwiegen wird, da sie sich chinakritisch geäußert hat.
Auf ZeitOnline steht ein -zur Zeit noch frei verfügbarer – Artikel, der noch den Aspekt anführt, dass die sinkenden Quoten auch etwas damit zu tun hätten, dass immer mehr unbekannte Filme wie “Mank” nominiert werden: https://www.zeit.de/kultur/film/2021-04/oscar-verleihung-zukunft-filmbranche
In den Leserzuschriften wird allerdings dann eher über die krampfhafte Diversität und Politisierung geschimpft. Wenn es selbst den eher links-grün-progressiven Zeitleser zu viel wird, ist man gewaltig übers Ziel hinaus geschossen.
Letztendlich war der Kampf um Diversität ein Pyrussieg, wenn es heißt:”Du gehörst halt der und der Ethnie oder Geschlecht an, wer weiß, ob du die Leistung wirklich erbracht hast.”
@Nomadenseele: Das mit Zhaos kritischen Äußerungen kann durchaus sein, hab ich bisher noch nicht gehört. Beim Rest kann ich nur zustimmen, und auch ich habe die Wahrnehmung, dass sich in meinem (auch eher liberal/progressiven) Umfeld immer mehr Unbehagen ausbreitet ob der zwanghaften Politisierung des Preises. Mmn ist es auch völlig logisch, dass in manchen Jahren etwa keine oder nur wenige schwarze Filmemacher, Darsteller etc nominiert sind, wo Schwarze nur rund 13% der US-Bevölkerung ausmachen. Das hat dann absolut gar nichts mit Rassismus zu tun. Außerdem: Was ist mit Latinos? Die machen fast 20% aus, hätte nicht gemerkt, dass heuer welche nominiert waren. Wo war der Aufschrei? Es ist einfach absurd, völlig verkrampft. Am Ende sollen die nominiert werden, die die besten Leistungen erbracht haben, egal ob weiß, schwarz, Latino, asiatisch, usw usf und wenn mehrheitlich Weiße nominiert sind, hat das simpel und einfach auch mit der Demografie zu tun und sonst nichts (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigte_Staaten#Ethnien_und_Einwanderergruppen). Mit dem Wunsch nach den “guten, alten Zeiten”, wie ein anderer polemischer Kommentar hier meinte, hat das gar nichts zu tun. Niemand will und braucht Diskriminierung. Aber gleichzeitig ist die Überrepräsentanz Weißer nicht automatisch Diskriminierung. Alle mal wieder etwas entspannen, das wär’s doch.
Der Beitrag bringt es doch schön auf den Punkt: es soll allen recht gemacht werden…..Wie langweilig. Das sind m.e. die kruden Auswirkungen von Political Correctness und die (vermeintlich) notwendige Rücksicht auf jede Art von Minderheit, die sich vielleicht gekränkt fühlen könnte.
Stimmt, was waren das noch für schöne einfache Zeiten, wo man Indianer auf der Bühne ausbuhen konnte und der Großteil der Mitglieder aus ein und der selben priviligierten Herkunft kamen! Sorry Steffel, war jetzt etwas gemein ausgedrückt, aber es war enorm wichtig, dass die Oscars in der Jetzt-Zeit ankommen. Allerdings kann man politische Themen u.ä. locker verpacken in eine Unterhaltungsshow oder halt bieder-ernst, als wäre es die deutsche Preisverleihung für die besten Teetasse Hessens.
Die Oscars sollen sich von diesem Quotendruck freimachen. Der führt dazu, dass sie in der Mangel sind, wenn sie keinen Überpopulären Filme nominieren, sondern das was sie gut finden. Genauso wie es dazu führt, dass sie das ganze mehr als Show aufziehen müssen, als das sie es zuletzt getan haben. Der Preis hat seine Relevanz durch die Tradition und die Mitgliedschaft der meisten amerikanischen Filmschaffenden nicht durch Einschaltquoten